Kunzt

Gestern einen ganz feinen Abend auf der Vernissage von Carsten Hagen verlebt. Toller Raum (PROJEKTOR), sehr netter Gastgeber, und meine Laudatio passte auch. Ich glaube, meine Jungs von minimaltrashart, die die Ausstellung mit organisiert haben, waren fast ein wenig erleichtert, dass ihr Romancier sich bzw. sie nicht blamiert hat. Hab vom Künstler als Dank ein spektakuläres Geschenk erhalten. Zeige es Euch demnächst. Für´s Archiv hier schon mal ein Abdruck der Rede …

Kunst
Raub
Zug
Knochen
Arbeit
Meta
Ware
Gefühle
Metal
Trash
Speed
Hundert
Tausend
Meter
Morphose

Nutzlos, Unentschieden, Affe, Feuer, Angriff, Platt – Schon das Werkverzeichnis des Künstlers, Carsten Hagen, liest sich wie ein Gedicht. Ein Gedicht, das sich nicht reimt. Egal. Die Werke selbst reimen sich auch nicht. Umso besser. Wir können uns ja was zusammen reimen.

Für Kunst-Werke sind Hagens Objekte erstaunlich unprätentiös. Vordergründig hintergründig. Sie halten sich nur auf den ersten Blick zurück. Der Künstler lässt seinen besten Stücken stets ein Hintertürchen offen. Dieses Hintertürchen führt auf einen alten Dachboden in der hintersten Ecke unserer Seele. Es tut gut, mal durch diese Hintertür zu gehen. Weil nur so aus Objekten Subjekte werden.

Hagens Subjekte passen gut auf den Kiez: Rau, lustig, pragmatisch, clever, kantig, aber immer sympathisch. Würden sie wie Pinocchio über Nacht lebendig, sie wären klassische „Typen“ für einen guten Dokumentarfilm. Wo der Künstler die Zutaten findet – man möchte fast sagen: seine Knochen einzeln aufliest – lässt sich erraten: Er scheint an diesem speziellen Ort, hinter seinem Hintertürchen, zuhause. Man beneidet ihn um diesen Spielplatz. Dieser Ort ist nicht steril. Ein Abenteuer-Spielplatz. Man macht sich dort schmutzig, reißt sich Löcher in die Hose, rammt sich Splitter in die Finger. Aber wenn man die B-Denken beiseite schiebt, entsteht Platz für A-Denken.
 
Über Kunst zu reden ist so langweilig wie über Sex zu reden. Beides muss man erleben, um es zu verstehen und in den Genuss dieses Erlebnisses zu investieren. Carsten Hagen verschafft uns die richtigen Hilfsmittel. Spiel-Zeug. Dabei reicht es ihm nicht, wie Duchamp ein Urinal umgedreht ins Museum zu stellen und zu schauen, wer sich angepisst fühlt. Hagens Exponate besitzen ebenfalls Wirkungspotenzial, doch sie sind keine ready-mades. Eher hand-made als ready. Die Baustoffe zwar gefunden, aber nicht vor-gefunden. Assoziativ aufgeladen. Kreative Samples einzelner Beats, die hier – cool, zitternd oder wuchtig – zu neuen Grooves kompiliert wurden.

Alles, was von Bedeutung ist, wird in Frage gestellt. Das Einzige, was nicht in Frage gestellt wird, ist: Dass es um Rhythmus geht. Eine schöne Nebenwirkung dieses ästhetischen Klimbims: Vormals Zweckmäßiges wird ent-zweckt. Was bleibt, ist nicht Nichts, sondern eine Kreation, deren Zweck fremdbestimmt wird. Fremdbestimmt, weil selbst-bestimmt. Von uns. Dem Betrachter.

P.S.: Eben kam meine Chefin in unser Büro, mit den Worten: Warst Du schon mal in St. Moritz? Damit ist mein Wochenende auch verplant …

 

 

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