Von Außen betrachtet …

Der April … von strahlend blau auf fahl und grau in zwei Tagen.

War am Sonntag mit meinem jüngsten Sohn beim Fußball. Am Rande des Spiels hat eine Mutter ein wunderschönes Foto von den Jungs gemacht, wie sie alle gemütlich und lässig auf der Rasentribüne in der Sonne liegen und miteinander Spaß haben. Eine tolle Momentaufnahme, bei deren Betrachtung die Jungs in 30 Jahren womöglich feuchte Augen bekommen. Es sieht, von außen betrachtet, einfach nach einem unbeschwerten, guten Leben aus.

Ich erinnere mich an diese Zeit und weiß, dass sich trotzdem jeder Einzelne von ihnen Sorgen macht. Weil er sich zu klein findet für sein Alter, oder zu groß, zu langsam, zu schwach, zu hässlich oder zu doof. Weil ihn kein Mädchen beachtet oder er sich von seinen Eltern oder der ganzen Welt unverstanden fühlt.

Quo vadis, Schwester? Mit Achtzehn.

Die meisten Menschen sorgen sich in jeder Lebensphase. Wenn man älter wird und schon ein paar echte (also: objektiv betrachtet) Rückschläge weggesteckt hat, verändert sich die persönliche Definition von Sorge. Und von Glück. Vielleicht. Manche Menschen fühlen sich ein Leben lang zu klein oder zu groß, oder wären gerne ein berühmter Schriftsteller, anstatt zu erkennen, dass sie unterm Strich glücklich sein müssten, weil sie zum Beispiel nicht schwerkrank sind. Aber diesen Unterschied zu erkennen, ist nicht immer leicht. Glück ist, meines Erachtens, kein Dauerzustand. Glück sind kleine Momente, die manchmal kürzer oder länger andauern, genauso wie Trauer oder Angst. Doch auch die gehören zum Leben dazu, weil man sonst kein Maß für die glücklichen Momente hätte. Deswegen bin ich ein großer Freund des Begriffes „Zufriedenheit“. Weil der, wenn sich Freude und Leid, Glück und Schicksalsschläge die Waage halten, in unseren Breitengraden mit der Mittelsilbe „frieden“ sich zumindest für mich als sehr passend erweist.

youthknuefer
Werde ich jemals Schriftsteller? Mit Anfang Zwanzig.
Foto 2
Wahnsinn. Erstes Buch ist raus. Mit Ende Zwanzig.
Journalist und Schriftsteller sein wollen und plötzlich ins Grübeln kommen, ob man "Kartusche" mit oder ohne "r" schreibt. Heute.
Schriftsteller sein wollen und plötzlich ins Grübeln kommen, ob man „Kartusche“ mit oder ohne „r“ schreibt. Heute.

Natürlich bin ich von Geburt an privilegiert. Es gibt Millionen, vielleicht sogar Milliarden Menschen, die beinahe ausschließlich schlechte Erfahrungen machen und kaum noch glückliche Momente erleben. Habe eben mit meiner Kollegin über einen Artikel aus dem aktuellen SPIEGEL gesprochen, der uns sehr berührt hat, über den iranischen Flüchtling in Berlin, der dort drogensüchtig wurde und sich deswegen nun prostituiert. Und wie der von den Freiern erzählt und von den Dingen, die er für Geld für die macht, bzw. an sich machen lässt. Und meine Kollegin und ich fragten uns: Wie kann das sein, dass 50-jährge Familienväter zu einem jungen Mann gehen, der Heroin nimmt und von anderen Freiern mit Filzläusen berichtet? Wie groß muss sozusagen der Trieb sein? Und da fiel mir ein, dass ich vor ungefähr 15 Jahren im Rahmen einer Recherche bei der AIDS-Beratungsstelle in Altona war und mir die Sozialarbeiterin dort erzählte, die „abhängige Cracknutte“ (ihre Worte aus der Perspektive der Männer) hätte die meisten Freier – weil es da nicht nur um das Ausleben eines Sexual-Triebes geht, sondern vielmehr um die Ausübung und das Gefühl von Macht. Anders gesagt: Die Befriedigung des Mannes erfolgt in dem Moment nicht nur körperlich, sondern den eigentlichen „Kick“ bezieht er aus dem Gefühl absoluter Macht und dem Wissen, dass er von dem anderen (in dessen/deren Notsituation) im Prinzip ALLES verlangen kann. Und diese Art von Männern führen häufig genug eine bürgerliche Parallelexistenz, wo sie genau diese „dunkle Seite“ eben nicht ausleben können. Das ist alles nicht schön, aber nicht ungewöhnlich. Und besagt einiges über die männliche Psyche.

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