Geh, Danken

Erntedankfest (Oktoberfest auf norddeutsch)
Erntedankfest (Oktoberfest auf norddeutsch)

Nur noch ein paar Tage bis zur großen Wahl. Hab ein bisschen Bammel, dass wir uns alle hinterher verwundert die Augen reiben. Bewege mich deswegen gerade hypersensibel, mit hochgestellten Antennen durch die Welt – und stoße an jeder Ecke auf viel Propaganda-Müll, aber auch auf interessante Gedanken.

Augen auf

Auf einen Stromkasten in unserem Ortskern hat jemand das hier gesprüht: „Augen auf und durch!“ Da fahre ich jeden Morgen dran vorbei und freue mich über diese kleine, geistreiche Modifikation.

Am Wochenende habe ich eine dieser Deutschland-vor-der-Wahl-Sendungen auf sport1 gesehen, mit dem guten Moderator Raul Krauthausen, der in dem Format auch eine ostdeutsche Kleinstadt besuchte und dort auf die (mittlerweile leider) übliche, geäußerte Fremdenfeindlichkeit stieß; dass die Flüchtlinge den Deutschen die Wohnungen und die Jobs wegnähmen usw. Und gerade, als ich dachte, dass es natürlich auch immer sehr einfach ist, da mit einem Fernsehteam hinzufahren und sich die üblichen Statements abzuholen, sagte der Moderator etwas ganz Schlaues – dass man (sinngemäß) nämlich nicht die beiden Seiten, die beide auf ihre Weise Nöte haben und im weitesten Sinne „Hilfe“ suchen, gegeneinander ausspielen dürfe, sondern sich die Politik eigentlich gleich gut um beide Parteien kümmern müsse, damit sich die eine, die vorher da war, nicht radikalisiert. Und das fand ich unerwartet empathisch und ganz klug, weil das auch genau mein Eindruck war, als ich vor einiger Zeit in Duisburg-Marxloh gedreht habe; dass es in vielen Fällen nämlich keine Angst vor dem Fremden ist, sondern eher eine Neid-Diskussion, im Sinne von: Wieso bekommt der Flüchtling die sanierte Sozialwohnung, auf die ich seit Jahren vergeblich warte?

Nicht falsch verstehen, ich möchte diesen neudeutschen „Nazionalismus“ überhaupt nicht relativieren oder schon gar nicht gutheißen, ich möchte nur anmerken, dass am Ende alle Menschen nur respektiert und wahrgenommen werden wollen – auch die neuen Nazis (Das haben die Ärzte schon besungen: „Schrei nach Liebe“).

Und die Politiker einer hochzivilisierten Demokratie müssen eben verhindern, dass aus ihren Bürgern erst „Wutbürger“ und schließlich Feinde dieser Demokratie werden. Doch für diesen Balance-Akt brauchst Du wirklich die besten Leute in der Politik. Leute mit Visionen, ohne Berührungsangst. Leute, die auch mal mit der U-Bahn in die Brennpunkte fahren, anstatt immer nur mit Chauffeur von Tiefgarage zu Tiefgarage. Empathie, statt Egoismus. Aufmerksame Altruisten, statt arrogante Anzugträger. Leute, die wirklich ein Ohr für die Probleme vor Ort haben, anstatt nur vorbeizuschauen, wenn ein Kamerateam in der Nähe ist. Und, ja, vielleicht gibt es die sogar, sie sind nur verdammt schwer auszumachen. Und, ja, es wird natürlich doppelt schwer, wenn die Politik selbst von Rechtspopulisten „unterlaufen“ wird. Warum gibt es keinen „hippokratischen Eid“ für Politiker? Oder müssen sogar alle Bundestagsabgeordnete vor Amtsantritt auf das Grundgesetz schwören, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen ihren Job machen? Ich weiß es wirklich nicht.

Vielleicht wieder mehr laufen und weniger Bier trinken und Zeitung lesen?
Vielleicht wieder mehr laufen und weniger Bier trinken und Zeitung lesen?

Zugegeben, ich bin ein bisschen „auf Zinne“. Liegt zum Teil auch daran, dass wir am Sonntag mit den Alten Herren 8:0 verloren haben. Hat mich vor allem deswegen genervt, weil wir wieder so einen „Angsthasen-Fußball“ gespielt und uns viel zu früh aufgegeben haben. So ein bisschen wie Köln gegen Dortmund ein paar Stunden später. Und da hat der Sky-Kommentator übrigens auch noch etwas Kluges über Köln gesagt, nach dem Motto: Erst verlierst du ein paar Mal unglücklich und irgendwann glaubst du dann aber auch tatsächlich, dass du so schlecht bist wie die null Punkte besagen. Und da ging mir ein Licht auf, weil das irgendwie auch auf uns zutrifft.

Pay TV-Philosophie, im ABO-Preis inbegriffen.

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