back no tormal: Kleingeister
Hallo!
Ich habe mal den Stecker gezogen. Den Stift fallen lassen – und vergessen aufzuheben. Mich etwas zurückgezogen. Durchgeatmet. Und festgestellt, dass die eigenen Gedanken so klein sind, dass sie in der Flut des Hochwassers untergehen. Dass da draußen die Herausforderungen für viele Menschen auf der ganzen Welt so groß und existentiell sind, dass es einem – wenn man das Glück hat, verschont zu bleiben – auf dem Hochsitz des Beobachters die Sprache verschlägt.
Das Leben ist kurz. So kurz, dass man sich über jeden Tag freuen sollte, an dem die Dinge einigermaßen in der Waage bleiben. Ich vergesse das manchmal. Beklage meine jämmerliche Existenz, den anstrengenden Job, die lästigen Pflichten des Erwachsenendaseins, ohne zu sehen, wieviel Glück ich erstens habe, und zweitens ja auch Dinge ändern könnte.
Aber wann fängt man damit an? Mit 50? Wenn die Kinder aus der Schule sind? Oder im ersten Job? Mit 60? Oder ist es schon zu spät? Wieviel Risiko geht man ein? Was braucht man wirklich, um in der Zukunft bzw. im Alter glücklich zu sein? Ich weiß es nicht. Ich habe lediglich eine Ahnung: vermutlich nicht viel von dem, worüber ich mir gemeinhin den Kopf zerbreche.
Immerhin erkenne ich mittlerweile auch Glücksmomente, wenn ich sie erlebe. Momente, die ich früher als selbstverständlich erachtet habe. Dafür muss man reifen. Wenn wir – wie in diesem Sommer nochmal – alle fünf gemeinsam in Schweden sind. Im See baden, zusammen Holz stapeln, streichen, schrauben, mähen, kicken oder grillen. Leichtbier trinken, ohne Schwermut. An der Hand der einzigen Frau erkennen, dass man die Kinder groß bekommen hat. Verantwortung an die großen Kinder abgeben können. Zusammen die einzige Frau an deren Geburtstag hochleben lassen. Wenn sich die großen Kinder über kleine Dinge freuen, als wären sie selbst wieder klein. Selbst wenn die Sprüche der großen Kinder derber und die Knochen kantiger geworden sind …
Bin jetzt seit einer Woche im Schnitt. Unterweger. Zu wenig Vorbereitung, wie immer. Und das nächste Projekt lauert schon. Da beneide ich freie, bildende Künstler, die erstmal drei Tage um einen Granitklotz herumschleichen können, bevor sie zum ersten Mal Hammer und Meißel heben. Ein Großteil der Dinge verliert seinen Reiz, weil man sie unter Zeitdruck erledigen muss, u.a. das Leben selbst.
Dafür dürfen wir nun immerhin wieder zu zweit in einem Raum sitzen, die Cutterin und ich. Natürlich getestet. Und mit Abstand. Und während ich rausgucke und um Regen bete, damit meine Blumen nicht verdursten, hat der Regen woanders und in anderer Form alles zerstört.
In der aktuellen 11FREUNDE, die ich wirklich schätze, ist ein tolles Stück über Rassismus im Fußball. Toll, weil es so eindrücklich ist. Weil es einen wütend macht und sensibel. Weil der Mensch ein Untier sein kann …
Ich wünsche mir manchmal, dass ich es hinbekäme, die Dinge anders zu betrachten. Größer zu denken. Mich selbst von meinem Hochsitz aus zu beobachten und mir von oben „einzutrichtern“, endlich damit aufzuhören, kostbare Lebenszeit zu verschwenden, weil man sich vielleicht Sorgen macht oder neidisch auf andere guckt. Endlich diese „Kleingeister“ zu vertreiben, die einem ständig im Kopf herumspuken.
Auf rbb kam vor ein paar Tagen ein Doku über eine U-Bahn-Linie in Berlin. Ich glaube, die U6. An jeder Station wurde eine kleine Geschichte erzählt. Ganz ruhig. Ich musste daran denken, wie ich in der Anfangszeit bei Spiegel TV immer meinen Freund Jan besucht habe, wenn ich in Berlin gedreht habe. Und dass ich immer versucht habe, Themen oder Experten in Berlin zu drehen, um ihn zu sehen. Um zu sprechen. Oder zu schweigen. Die forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh hat mir erst kürzlich im Interview gesagt, eine „echte“ Beziehung erkenne man auch daran, dass man mit seinem Partner/seiner Partnerin gemeinsam schweigen könne. Das war mir jetzt nicht neu, der Umkehrschluss aber schon, weil sie mir im selben Atemzug erklärte, dass sich Jack Unterweger und seine damalige Verlobte ständig mit Kosenamen ansprachen (Schatzi-Hasi-Mausi-Schatzi-usw.), weil ein Psychopath (Unterweger, nicht die Verlobte) unfähig ist, „echte“ Gefühle zu zeigen, und man in einer solchen Verbindung z.B. durch das inflationäre Benutzen der Kosenamen versucht, diese Beziehung irgendwie zu „materialisieren“. Allerdings war sich Frau Saimeh nicht sicher, ob man das so im Fernsehen sagen sollte, weil sie befürchtete, vielen „normalen“ Menschen damit vor den Kopf zu stoßen, die das eben auch tun. Womöglich aus ganz ähnlichen Gründen.
Und dann denke ich, dass ich immer ein paar gute Freunde hatte, die mich davor bewahrt haben, „kleingeistig“ zu sein. Die mich angespornt haben; korrigiert, ermuntert, aufgemuntert, ermutigt, mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt oder einfach sein gelassen haben. Wohl dem, der ein paar „Großgeister“ zum Freund hat.

Ich kann mit meiner Frau jedenfalls sehr gut schweigen. Stimmt’s Schatzilein?
Zeit! Zeugen!
Samstag, 17 Uhr, Salzburg. Liege auf dem Behandlungsstuhl des zahnärztlichen Notdienstes. Habe mir einen Backenzahn aus der Krone gebrochen. Leiste mir eine Keramikfüllung für 180 Euro, weil die Alternativen alternativlos sind: Amalgam oder provisorisch. Die Zahnärztin ist schnell und kompetent, ihre Aufmerksamkeit liegt in dieser Sekunde allerdings eher bei meinem Job. SPIEGEL TV? Was ich hier in Salzburg machen würde!? Sie nimmt mir die sechs Tamponaden aus dem Mund, damit ich antworten kann: Unterweger! Der Serienmörder? Der war doch in Wien – die Wienerwaldmorde, oder? Ich bin überrascht, wie gut sie sich auskennt. Sie sei ein Fan von Medical Detectives, ich verstehe. Ja, sage ich, vier Morde in Wien, aber mutmaßlich auch zwei in Graz, drei in L.A. und einer in Salzburg, für den er nie verurteilt wurde …
Eine gebürtige Jugoslawin, Marica Horvath, war damals das Opfer, am 01. April 1973. Die Frau wurde geschlagen, missbraucht, gefesselt und geknebelt. Die Nase ließ der Täter aber grausamerweise frei. Sie lebte also noch, als er sie, wehrlos, wie sie war, in den Salzsachsee warf. Eine äußerst hässliche Geschichte. Ein pensionierter Kommissar, August Schenner, versuchte damals, Jack Unterweger auch diese Schandtat nachzuweisen, jahrzehntelang vergeblich, im Gegenteil, als er 1983 neue Beweise fand und Unterweger in Haft (wo er für einen anderen Mord saß) erneut befragte, genoss dieser schon so viel Unterstützung auf dem Weg zu seiner vorzeitigen Entlassung, dass der alte Mann gegen Wände lief.
Dieser pensionierte Kommissar, August Schenner, hatte wesentlichen Anteil an der Überführung Unterwegers. Leider ist er 2007 verstorben. Es gibt nicht viele Bilder von ihm und nicht viele Menschen, die ihn noch kannten – ich habe einen gefunden: Siegfried Jaros, er kam damals als junger Polizist in Schenners Abteilung. Er hat uns in das geheime Archiv der Salzburger Polizei geführt und mir die ganze Geschichte nochmal erzählt …
Unter weger
beruflich in Wien
Jack Unterweger auf der Spur
Filme machen
für Streamingdienste
Sex and Crime
Zeugen befragen
von damals
mein Mädchen
hat sein Mädchen
gesprochen
crazy
wenn man es genau bedenkt
Geschichten erzählen
für Heute
nicht zu glauben
wie mondän Wien ist
auf dem Naschmarkt
ein einfaches Schwarzbrot gekauft
für 8,40 Euro
auf Dachterrassen
Freunde besucht
mit Vorsicht genießen
jeden Tag testen
ob man negativ ist
hoffen
dass man es bleibt
neidisch sein auf jeden
der geimpft ist
wo sind wir hingekommen
positiv denken
jeden Tag aufs Gedanken
Karussell springen
wie erzählt man
Geschichten
die man auf tausend und eine Art
erzählen kann
positiv denken
nicht zu glauben
dass Unterweger als resozialisiert galt
um dann in der wiedererlangter Freiheit
sich frei zu fühlen
Frauen zu strangulieren
mit einem speziellen Knoten
den er im Moment der Qual
lockerlassen
und wieder festziehen konnte
wieviel Sadismus ist menschlich
und wieviel Schuld
viele Schriftsteller haben sich für seine vorzeitige Entlassung ausgesprochen
viele von ihnen sagten hinterher
sie hätten gar nicht
so recht gewusst
wofür sie sich da eigentlich aussprechen
oder für wen
nicht zu glauben
wie schön Wien ist
wenn man keine Frau ist
die zu Unterweger
am falschen Tag
ins Auto steigt
Junge Frau, zuhause sitzend, blaues Licht, rotes Mikrofon
So langsam reicht es mir auch, muss ich sagen. 2021 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem man sich über einen Impftermin mehr gefreut hat als über einen kleinen Lottogewinn. Wir werden den herzlichen Umgang miteinander wieder üben müssen. Oder wir fallen uns kreuz und quer in die Arme, weil alle erleichtert sind, wenn es endlich überstanden ist.
Nun steht die dritte Welle an, warnen die Experten, und die könnte schlimmer werden als alles andere vorher. Die Ansteckungsgefahr ist so groß, dass alles, was man jetzt außerhalb seiner vier Wände in Angriff nimmt, generalstabsmäßig durchgeplant werden muss, um es mal etwas martialisch zu formulieren.
Wir versuchen daher wirklich, den Kontakt mit anderen Menschen aufs Minimum zu reduzieren, aber am Wochenende war ich dann doch mal wieder draußen, ausnahmsweise. Sebastian hatte ein Online-AutorInnen-Trinken organisiert, mit einer Überraschungsgästin, Alena Schröder, worüber wir uns so gefreut haben, dass wir das Gespräch mit ihr unbedingt für eine neue Podcast-Folge aufnehmen wollten. Und deswegen bin ich dann doch zu Sebastian und Tara ins Atelier gefahren, damit das auch mit der Technik klappt. Also haben Sebastian, Tara und ich vorher noch einen Schnelltest gemacht, uns auf verschiedene Räumen verteilt, gelüftet und zwischendurch Masken getragen. Alles nicht schlimm, aber man muss eben dran denken und sich auch dran halten.
Unsere Podcast-Gästin, Alena Schröder, hat von zuhause aufgenommen, genauso wie die anderen Gäste quasi live zugeschaltet waren. Und auch wenn so eine Online-Party immer nur eine Notlösung sein kann, war es toll. Und das ist tatsächlich ein großes Glück in meinem Leben, dass Sebastian immer so interessante AutorInnen in mein Leben holt, denen ich dann auch persönlich Fragen stellen kann.
Um es kurz zu machen: Alena Schröder hat ein wunderbares Buch geschrieben, ich kann es nur empfehlen. Und es ist eigentlich noch interessanter, weil es darin auch um ihre eigene Familiengeschichte geht. Ich will gar nicht zu viel verraten. Der Titel kommt erst mal ein bisschen artifiziell daher: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid – klingt ein bisschen wie Alexander Kluge: Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos! Bei Alena handelt es sich aber um den Namen eines verschwundenen Gemäldes.
Auch der erste Satz macht schon Spaß: „Bevor sich ihre Großmutter weiter mit dem Sterben beschäftigen konnte, musste Hannah die Sache mit der Jalousie erledigen.“
Oder der hier: „Sie hatten sich rausgeputzt, sich gegenseitig die Haare hochgesteckt und zu viel Rouge aufgetragen, hatten ihre beiden Begleiter schnell abgeschüttelt, die sich ohnehin lieber betrinken wollten, und lauschten nun der Kapelle, die Schlager spielte und von der es hieß, sie spiele auch Jazz, später vielleicht.“ Das ist sehr richtig und aus heutiger Sicht tatsächlich schwer vorstellbar, dass die jungen Menschen mal so den Jazz abgefeiert haben, als Party-Tanzmucke. Das hat mich auch immer so an „On the Road“ fasziniert, dem Roman von Jack Kerouac, in dem die beiden Hauptfiguren ja auch so von Jazz sprechen, als sei es etwas „Heiliges“. Für uns Anfang der 90er waren das vielleicht Grunge oder Crossover, aber Jazz war zu seiner Zeit wirklich neu. Ich fürchte allerdings, einige junge Menschen würden heutzutage dasselbe von deutschem Gangsta-Rap behaupten …
Aber um nochmal auf das Buch von Alena Schröder zurückzukommen: Es verwebt zwei Zeitebenen, zum einen die Jahre zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg (und zwar so prägnant, dass man sich noch mal fragt, wie das damals alles möglich war – übrigens auch ein Grund, warum ich das Buch meinen Söhnen empfehlen werde) und zum anderen die Gegenwart. Und das geschieht sehr leicht und intensiv, und es wimmelt nur so von kleinen, gelungenen Ideen, Gedanken und Beschreibungen, die ich in der Kürze der Zeit mit der Autorin gar nicht alle besprechen konnte. Am besten, ihr lest es selbst.
Also, hoffen wir, dass Interviews und Treffen bald wieder real stattfinden können. Ich ziehe meinen Hut vor allen Menschen in sozialen Berufen. PflegerInnen, ErzieherInnen, KassiererInnen, vor allen Menschen, die nicht einfach sagen können: Nö, ich bleib zuhause. Und ganz persönlich kann ich nur sagen: Was für ein großes Glück, dass ich mich ab und an um diesen alten Isländer meiner Frau kümmern darf. Oder er sich um mich.
Waren am Sonntag eine Stunde mit ihm spazieren. Ist wie Schwimmen mit Delphinen.
Bleibt gesund.
(G)Unter (G)Eiern
Hab gestern mit meinem jüngsten Sohn Bundesliga geguckt. Nur am Rande: Robert Lewandowski!? Was für ein Wahnsinn: drei „Alu-Treffer“, einer krasser als der andere! Wären die alle drin gewesen, würde Gerd Müllers Rekord jetzt wirklich wackeln …
Jedenfalls erzählte mein Sohn während der Vorberichterstattung, er habe auf Netflix gerade „Das Hausboot“ gesehen, die kleine Serie über das alte Hausboot von Gunter Gabriel, das Olli Schulz und Fynn Kliemann gekauft und saniert haben. Ob wir das schon gesehen hätten!?
Natürlich haben meine Frau und ich das längst geschaut. Schließlich haben wir ja damals mit Gunter für den NDR die dreiteilige Serie „Der Hafencowboy“ realisiert – das rosa Hausboot war in der Zeit unser zweites Zuhause. Und ich muss sagen, wir wurden ein bisschen wehmütig, als es entkernt wurde, z.B. als das alte Trimm-Dich-Fahrrad im Container landete, auf dem er sich abstrampelte, als Amrei mit ihm und Gunters Personal Trainer Marios Winding gedreht hat (irgendwo muss auch noch eine alte Roger Trash-CD von mir über Bord gegangen sein, die ich Gunter mal als Inspiration geliehen hatte).
Am Anfang der ersten Folge zeigen sie sogar einen kleinen Ausschnitt aus unserer NDR-Serie, untermalt von einer kleinen Musikzeile, die Gunter damals beim Soundcheck(!) in der kleinen SPIEGEL TV-Sprecherkabine im Chilehaus eingesungen hat, als wir den von mir komponierten Trailersong „Der Hafencowboy“ aufgenommen haben. War eine richtige Rock and Roll-Aktion, mit ganz wenig Aufwand, zwei guten Mikrofonen, einem sehr guten Tonmann (Thorsten Rejzek) und einem „Produzenten“, der seine Hemmungen überwand und dem alten Schlagerschlachtschiff Gunter Gabriel Anweisungen gab, wie er das denn zu machen habe. Ich weiß, ich hab die Geschichte schon hundertmal erzählt, aber es sei mir verziehen, dass ich die alten Erinnerungen ab und an, wenn es einen Anlass gibt, mal wieder an die frische Luft lasse. Bin so froh, dass ich das damals alles aufgenommen habe. Glaubt einem ja sonst keiner:
The Gunter Recordings from anders-blog on Vimeo.
Zwei kleine Anmerkungen zum Schluss: Mein Münsteraner Musikerkollege Stephan „Gude“ Hinz und ich haben aus dem Jingle damals einen ganzen Song gemacht. Gunter war davon so begeistert, dass er ihn unbedingt auf seine nächste CD packen wollte. Ist dann nichts mehr draus geworden, aus tausend Gründen, u.a. wegen eines Treppensturzes, den er nicht überlebte. Vielleicht ist das die legendärere Geschichte, mich nervt es trotzdem ein bisschen. Hätte es gerne noch erlebt, wenn 10.000 Countryfans den Refrain mitsingen …
Und? Es ist übrigens auch kein Wunder, dass mein Sohn Spaß an der Netflix-Serie hatte, der Humor war ja infantil genug, an der Grenze zu … äh … grenzwertig. Aber wie drückte es schon mein Alphabeten-Kollege Sebastian aus:
Den hättest Du vermutlich auch lustig gefunden. Ruhe in Frieden, Hafencowboy!
Höltigbaum-Hits Vol. 3 – Crossover
Anstrengende Woche hinter mir, aber auch aufregend. SEHR viel Recherche, SEHR viele Gespräche mit hochinteressanten Menschen, über die allein man vermutlich ganze Bücher schreiben könnte.
Habe ein paar Leute gefunden, Zeitzeugen, die wichtig für Geschichten sind, die wir verfilmen wollen. Die ich noch nie in anderen Dokus zu dem Thema gesehen habe. Insofern war das eine gute Woche. Dieses richtige Recherchieren und sich von A nach B nach C durchfragen, das liebe ich ja, diese klassische Reporter-Arbeit. Wo man sich mit einer Frage im Gepäck aufmacht und nicht eher lockerlässt, bis man Antworten oder zumindest Menschen gefunden hat, denen man diese Fragen stellen kann …
Mein Alphabeten-Kollege Sebastian Stuertz hat, weil ihm der Lockdown so auf den Sack geht, zum Glück wieder Hummeln im Hintern – und eine schöne Online-Veranstaltung initiiert, mit einer wunderbaren Autorin als Gesprächspartnerin, die gerade ein sehr, sehr, sehr erfolgreiches Romandebut abgeliefert hat. Da freue ich mich drauf. Ist zwar eine geschlossene Veranstaltung, wird aber im Anschluss als Podcast verwertet. Eine schöne Abwechslung zum Tagesgeschäft.
Mit diesen ganzen gemischten, bunten Gefühlen habe ich mich eben auf meinen Drahtesel geschwungen und, wie so oft, eine Wochenausklang-Runde in Richtung Lieblingsplatz unternommen. Wetter war nicht optimal, aber stimmungsvoll. Und natürlich werde ich in meiner kleinen Musikreihe nun einen weiteren Hit präsentieren. Diesmal geht es um Prince – und um dessen Super Bowl-Halftime-Show von 2007.
Dieser Auftritt ist aus vielerlei Hinsicht außergewöhnlich! Zum einen war das Wetter so schlecht, dass man den Gig – allein aus Sicherheitsgründen – eigentlich hätte absagen oder zumindest komplett herunterfahren müssen. Aber Prince hat den Sturm und den Regen nicht nur angenommen, er hat ihn zum Teil seiner Performance gemacht. Zum zweiten hat er für den Abend ein Programm auf die Beine gestellt, das zwar mit seinem ewigen Hit Purple Rain hymnisch endet, auf dem Weg dahin jedoch das Football-Publikum (mehr Mainstream geht ja nicht) zum Kochen bringt, mit einer absolut massentauglichen, aber trotzdem arschcoolen Mischung aus Hits, die gar nicht von ihm sind. Also fast wie ein klassischer Alleinunterhalter auf Hochzeiten in norddeutschen Landgasthöfen in den 80ern, eine Live-Juke Box auf Speed! Was für eine Größe, einfach ein geiles Medley abzuliefern, anstatt sich in seinem eigenen musikalischen Korsett zu verfangen.
Kommen wir zum Punkt: Mittendrin spielt er ein paar Takte Jimi Hendrix – später wechselt er von da fließend in einen Foo Fighters Song – und diese paar Takte Hendrix, die er locker singt und sich dabei selbst mit einer Leichtigkeit, die zum Himmel schreit, auf der Gitarre begleitet, das ist einfach ganz, ganz groß.
Die Stelle, die ich meine, geht bei ca. 05:30 Minuten los, aber die volle Wirkung entfaltet sich natürlich nur, wenn man es im Ganzen anschaut.
Bitte schön: Prince Super Bowl 2007
Komm Unikat ion!
Viele Emails und Telefonate in diesen Tagen für diverse Filmprojekte, die sich in Planung befinden: Schweizer Fernsehen, ZDF, ein Streaming-Dienst. Von außen betrachtet, alles spannende Unterhaltung mit Tiefgang. Würde mich gerne mit voller Aufmerksamkeit jedem einzelnen Projekt widmen, aber das ist in der Praxis nicht immer leicht. Viele Pitches, viele Ideen, viele „Bälle in der Luft“ – und manch einer fällt auch auf den Boden. Das Bowie-Projekt ist leider nicht zustande gekommen …
Ich weiß gar nicht, ob das so ein Mann-Frau-Multitasking-Ding ist. Ich kann ja mehrere Sachen gleichzeitig bedenken oder ausführen, aber ich mag das eben nicht so gerne. Ich vergrabe mich lieber in der kreativen Stillarbeit, hab mein Projekt und fuchse mich da rein. Hatte diese Woche tatsächlich ein paar gute Recherche-Erfolge, musste dann aber erstmal abbrechen, obwohl ich das gerne bis zum Ende durchgearbeitet hätte. Ging um einen alten Kriminalfall in Österreich, einen Serienmord, bei dessen Ermittlungen auch ein pensionierter EX-Polizist eine Rolle spielte. Über den gibt es aber nicht viele Infos, auch nicht in anderen Filmen, die ich gecheckt habe. Also hab ich Angehörige und EX-Kollegen aufgespürt, und ich weiß genau, okay, eigentlich muss man jetzt alles stehen und liegen lassen, sich ins Auto setzen, runterfahren und nicht eher zurückkommen, bis man die Antworten auf seine Fragen hat. Aber im Tagesgeschäft ist das nicht immer möglich, immerhin, ich glaube, ich wäre kein schlechter Schnüffler …
Was cool ist: Die 11Freunde hat unser schönes Buch von Ina Bruchlos vorgestellt, in der aktuellen Ausgabe, ganz positiv, passend zum Derby heute Abend. Da haben wir uns natürlich sehr gefreut. Hoffen wir mal, dass es ein bisschen zur Verbreitung beiträgt, ist ja in Zeiten wie diesen für Indie-Verlage nicht so leicht. Die AutorInnen können keine Lesungen machen, die BuchhändlerInnen sitzen auf den Neuerscheinungen. Da hilft es natürlich, wenn ein cooles Fußballbuch seinen Weg in die Fachliteratur findet.
Ansonsten? Habe ich eine mehrtägige WhatsApp-Korrespondenz mit dem Philips-Kundendienst hinter mir. Unsere Haarschneide-Maschine, die gar nicht mal so günstig war, funktioniert nicht mehr, weil ein winziges Teil verloren gegangen ist (das sich schon nach kurzer Zeit gelockert hat). Ich konnte das Teil sogar lokalisieren und hab denen ein Foto davon geschickt, hab sogar angeboten, dass sie, wenn sie die Einzelteile nicht verschicken, ich den Schneider sogar einschicke, wenn die Reparatur nicht absurd teuer wäre. Die waren auch ganz verständnisvoll und freundlich und haben lustige Emojis benutzt, und für eine Sekunde dachte ich, hey, das könnte echt was werden, aber keine Chance.
Wieder ein Teil für 60 Euro, das jetzt Elektroschrott ist, weil der Hersteller nicht in der Lage ist, ein Ersatzteil zu besorgen, das in der Herstellung wahrscheinlich nur ein paar Cent kostet. Sowas nervt mich WIRKLICH.
Höltigbaum-Hits Vol. 2 – mit Gestalten
Ja, man könnte sich vielleicht öfter äußern, als Blogger. Merke aber, dass es für mich besser ist zu schweigen, wenn man gerade nichts zu sagen hat. Oder nichts Genaues. Obwohl auf der anderen Seite viel passiert, über das man eigentlich diskutieren sollte: die Gefährdung der Demokratie, die Gefährdung der Wirtschaft, die Gefährdung der Kulturlandschaft, die Gefährdung von Jobs, die Gefährdung von Bildung. Alles ist gefährdet. Alles weltweit. Vor allem die Zukunft. Dabei frage ich mich: Kann die Zukunft gefährdet sein? Die Zukunft wird es doch immer geben, so oder so. Also ist nicht die Zukunft in Gefahr, sondern allenfalls unser Platz in der Zukunft, so wie wir beides als solches empfinden. Komischerweise finde ich den Gedanken, dass es die Zukunft immer geben wird, als tröstlich. Habe dann gleich wieder Lust, sie ein bisschen mitzugestalten.
Bin viel mit dem Fahrrad unterwegs, jetzt gerade am Wochenende wieder, bei strahlendem Sonnenschein ab ins Naturschutzgebiet und dann dick eingepackt auf meiner Lieblingsbank Pause gemacht und nachgedacht. Über Gott und die Welt. Und Musik gehört. Auf der neuen Notwist-Platte gibt es diesen Song, den ich sehr mag. Ihr vielleicht auch. Funktioniert am besten mit Kopfhörern und frischem Schnee drumherum. Bestes Noise-Cancelling-System ever …
Höltigbaum-Hits Vol. 1
Ihr Lieben,
ich habe ja vor ein paar Wochen schon mal geschrieben, dass ich – um dem totalen Lockdown-Schock zu entgehen – abends regelmäßig mit dem Fahrrad ins nahe gelegene Naturschutzgebiet „Höltigbaum“ fahre, mich da immer auf dieselbe Bank setze (mit Glück vorher den wilden Rindern begegne), ein Feierabendbier öffne, den Blick über die Wiese schweifen lasse und ein bisschen Musik höre. Jetzt im Winter vorzugsweise mit dicken Klamotten, langer Unterhose, Sitzkissen, Mütze, Handschuhe, das volle Programm.
Wenn man in dieser Einsamkeit mit sich alleine ist, kommen die unterschiedlichsten Gedanken vorbei, setzen sich auf einen kleinen Plausch. Meine drehen sich dabei meistens ums Schreiben oder um Musik. Auch wenn ich mir gerade wieder eine richtige Platte bestellt habe (The Notwist – die neue), bin ich doch ein Fan dieser Musik-Apps geworden, weil man da ja tatsächlich fast alles findet, was einem gerade einfällt. Und oft ist ja so, dass einem, wenn man z.B. ein altes Stück hört, das man lange nicht gehört hat, gleich noch ein paar andere einfallen, die man dann auch sofort hören muss.
Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, demnächst an dieser Stelle ab und an kleine Musikgeschichten aus meinem Leben zu erzählen. Anekdoten, unnützes Wissen, ihr wisst schon.
Heute also diese: Ich bin jetzt kein Riesenfan von Marius Müller-Westernhagen, aber es gibt da ein paar Nummern, die ich gut finde. Und eine hab ich jetzt wiederentdeckt, die finde ich richtig geil:
Besonders dieses eine „Yeah!“ bei 05:10 Minuten. Der ganze Song ist gut, aber vor allem das Ende baut gut auf, schönes Solo, absolut geiler Trommler (Jean Paul Zimbris, sein Set klingt auch wie eines dieser ersten E-Drum-Sets, super fett und ein bisschen plastisch, ist aber vielleicht auch einfach nur gut aufgenommen und gemischt) und dann dieses beinahe schwebende, alles abrundende „Yeah!“ …
Immer wenn mich Dinge interessieren, gehe ich ihnen nach. Also bei Wikipedia das Line-Up gecheckt, und da sehe ich Gitarre: Karl Allaut. Und irgendwie sagt mir der Name was, aber ich komme nicht drauf. Ein paar Tage später sitze ich abends im Arbeitszimmer und beschäftige mich mal wieder mit Axel Schulß, einem Münsteraner Künstler, der viel zu früh gestorben ist. Der hat ein paar wahnsinnige gute Platten gemacht (z.B. mit Musikern wie Steffi Stephan aus dem Panikorchester, meinem Trommellehrer Ben Bönniger oder Ekimas und Wolfgang Proppe von den Erdmöbeln). Und auf einer gibt es einen Song, den ich absolut feiere: Morgen fangen wir von vorne an. Da gibt es am Anfang nur seine Stimme und eine Gitarre. Eine göttliche Gitarre. Und dreimal dürft ihr raten, wer die spielt – richtig, Karl Allaut. Klar, der wohnt jetzt in Hamburg und hat bei Westernhagen gespielt, der hat aber auch wie Steffi Stephan bei Lindenberg gespielt, und Steffi Stephan hat ja in Münster das berühmte Jovel betrieben. Will sagen, die Szene ist dann doch nicht so groß, zumindest nicht, wenn es um die wirklich guten Leute geht. Aber natürlich würde es mich interessieren, wie die Zusammenarbeit damals zustandekommen ist. War der zufällig in der Stadt? Und Stephi hat dann Ekki im Studio angerufen: Ey, der Karl ist hier und hat Bock, ne Nummer vom Axel einzuspielen!? Ich glaube, ich versuche das mal herauszubekommen.
Hier auf jeden Fall der Song! Zuvor die kleine Anmerkung, die Axel Schulß damals auf seiner Website zu dem Song gemacht hat. Komponiert hat das Ding übrigens Thomas Paßmann-Engel, der Bruder von … richtig … Bertram Engel, dem Trommler von … genau … Lindenberg und Maffay, ja, wie gesagt, die Musikwelt ist klein. Zumindest war sie das mal – als man, um Musik zu machen, noch ein Instrument beherrschen musste (Zwinkersmiley) …