Vielen Dank für das Leben

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So, jetzt ist es kalt, jetzt ist es grau, jetzt ist es stürmisch, jetzt ist November. Lese gerade (viel zu spät) Sibylle Bergs „Vielen Dank für das Leben“; starker Text, der in seiner schonungslosen, messerscharfen und leider absolut glaubhaften Offenheit bezüglich der empathielosen (Um-)Welt der Hauptfigur Toto allerdings auch nicht gerade zur Erbauung beiträgt. Lange her, dass ich jemanden, den es gar nicht gibt, so sehr beschützen wollte. Arme Toto.

Höchste Zeit, Kerzen anzuzünden.

Stehe immer noch ein wenig unter dem Eindruck meiner kleinen Berlin-Reise. Neben den interessanten Museum-, Galerie- und Filmfestival-Besuchen freut es mich vor allem, neben meinem Patenkind ein paar ganz verschiedene, alte Freunde besucht zu haben. Das ist ja manchmal auch ein kleines Wagnis. Gerade bei Menschen, die man sehr lange nicht gesehen und mit denen man vorher jetzt auch nicht täglich Kontakt gepflegt hat. Weil man nicht weiß, ob die nicht plötzlich AfD wählen oder Corona leugnen oder unreflektiert und in einer Tour auf „die da oben“ schimpfen. Man möchte ja eigentlich nicht, dass sich Menschen (oder Dinge), mit denen wir vorher gut klar gekommen sind, verändern. Und wenn, dann bitte nur zum Positiven. Weil die meisten von uns Probleme haben, sich auf eine neue Situation einzustellen. Dann müssten wir uns am selbst Ende noch verändern. Deswegen – und da schließt sich der Kreis – bin ich glücklich. Nicht, weil ich Angst davor hätte, mich weiterzuentwickeln, im Gegenteil, da ist noch Luft nach oben. Ich passe mich mitunter gerne an, wenn ich das Gefühl habe, dass daraus etwas Neues entsteht. Nein, ich bin glücklich, weil meine alten Freunde zwar älter geworden sind, aber nicht in negativer Weise merkwürdig. Oder gar böse. Weil man ja manchmal denkt, allmählich werden alle Menschen hysterisch, dumm oder hängen irgendwelchen Verschwörungstheorien nach. Aber wenn man dann unabhängig voneinander drei verschiedene Menschen trifft, die man alle jahrelang nicht gesehen hat, und alle drei ticken noch einigermaßen richtig, dann gibt das Hoffnung für das große Ganze. Dann kann es draußen auch mal stürmen; und der Tag sich weigern aufzuwachen.

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