Elfter Elfter

Karneval!!!!

Gut, dass ich in Berlin bin. Einer unserer Söhne weilt allerdings in Köln. Er hat sich sogar drauf gefreut, auf die erste Karneval-Sause seines Lebens. Hatte insgeheim gehofft, dass er als „embedded Karnevalist“ vielleicht ein paar Clips in den Familien-Chat leakt, aber andererseits macht man sich wahrscheinlich nur Sorgen, wenn man das ganze Übel plötzlich sieht.

Insofern genieße ich noch ein wenig die letzten Tage in Berlin. Treffe alte Freunde, besuche Galerien, Museen, schreibe. Im neuen Buch geht es ja am Rande auch um die ganze Mauerfall-Thematik. War deswegen im Tränenpalast und im The Wall-Museum, und ich muss sagen, das war sehr interessant. Obwohl mir viele Kleinigkeiten schon aus der Recherche der letzten Wochen bekannt waren.

Aber manchmal hilft es ja auch, einen neue Perspektive einzunehmen. Hatte z.B. vergessen, welche entscheidende Rolle Genscher damals gespielt hat. Wie er da innerhalb weniger Tage – mit seinen Ärzten im Schlepptau wegen der Herzproblematik – ein paar Mal um die Welt geflogen ist, um allen zu versichern, sie müssten keine Angst vor dem neuen Deutschland haben.

Ein Raum im The Wall-Museum ist dem Konzert gewidmet, das Roger Waters damals auf dem Potsdamer Platz organisiert hat. Als ich die Videoschnipsel vom Konzert gesehen habe, wurde mir plötzlich klar: Ich war damals da! Ich habe das Konzert live gesehen, als einer von 300.000 Menschen. Aber das war gar nicht mein Verdienst. Mein Vater hatte die Tickets besorgt. Für meine Schwester und meine amerikanische Gastschwester, die damals in Deutschland zu Besuch war. Ich hab das damals gar nicht so gecheckt, wie historisch das eigentlich war – heute völlig zurecht eine Museumsstation.

Schaut euch den Tränenpalast an, wenn ihr in Berlin seid
Schaut euch den Tränenpalast an, wenn ihr in Berlin seid

Und der Tränenpalast? Wenn man sich das mal mit etwas Zeit anschaut, diese kristallklare, messerscharfe, gläserne Abfertigungshalle abgeht, sich die Briefe der voneinander getrennten Familien durchliest, sich in die Holzboxen stellt, die da immer noch stehen, und in denen die Menschen damals auf den Ausreisestempel gehofft und allzu oft enttäuscht worden sind, in totaler Abhängigkeit von dem jeweiligen Beamten (Welcher Menschentyp wählt so eine Position?), unter fadenscheiniger Begründung wieder nach Hause geschickt. Oder gleich in U-Haft. Wenn man in die Gesichter blickt, auf den Fotos, das Leid, die Verzweiflung, ich meine, der Name „Tränenpalast“ kommt ja nicht von ungefähr.

Ja, wir haben Anfang der Neunziger alle gedacht, nun wird das Leben eine einzige Party. Alle, die sich vorher mit Bomben beschmeißen wollten (und es war ein paar Mal knapp auf Kante, das vergisst man auch, und Deutschland wäre mittendrin gewesen), sprechen plötzlich miteinander. Und diese Gespräche bringen sogar was. Und die Demokratie wird von den Menschen gewünscht. Der Rest ist Geschichte. Und Geschichte wiederholt sich. Bleiben wir also wachsam. Ein selbstbestimmtes Leben in Frieden ist alles andere als selbstverständlich.

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