Berlin 1

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Wir schreiben die letzten, wilden, freien Tage, bevor ich nächste Woche wieder ins Büro muss, und, ja, ich versuche, mir in der Welt da draußen nochmal soviel Input wie möglich zu holen. Da bietet sich Berlin natürlich an.

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Ein kurzer Rückblick: Nach einer phänomenalen MTA-„Gute Menschen“-Premierenlesung mit Sigrid Behrens und Dominique Horwitz letzten Donnerstag, bei der ich die große Ehre hatte, eine kleine Zwischenmoderation mit Fragen an die Autorin zu gestalten, sind meine Frau und ich dann gleich am nächsten Morgen (etwas verkatert) in Richtung Osten aufgebrochen.

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Zuerst haben wir einen Abstecher in einem Schlagzeugladen gemacht, Maydrums in Schnega, weil ich – angefixt u.a. durch das tolle Konzert in der Woche zuvor (s. 4Fakultaet) – plötzlich Lust hatte, mir nach Jahren mal wieder ein Becken zu kaufen. Und Martin von Maydrums bietet einen guten Preis und, vor allem, eine vergleichsweise große Auswahl vor Ort, d.h. man kann seine eigenen Becken mitbringen und die Becken im Laden dazu auch wirklich anspielen und vergleichen, das ist ja in Hamburg kaum noch möglich. Bin auch fündig geworden ;-)

Crash-Kurs für Trommler mit Beckenschiefstand
Crash-Kurs für Trommler mit Beckenschiefstand

Dann weiter nach Berlin, mit Schutzengel an Bord, weil wir wirklich kurz vor Berlin haarscharf einem unfassbaren Stau und Verkehrschaos entkommen sind. Also, pünktlich im Hotel in Mitte eingecheckt, einen Parkplatz vor der Tür gefunden und dann gleich am selben Abend noch eine hochinteressante Veranstaltung besucht: Das Zebra Poetry Film Festival! Da geht es um verfilmte Gedichte, also eigentlich genau mein Ding, und ich frage mich, warum das jahrelang unbemerkt an mir vorbeigegangen ist, zumal doch mein alter Freund Gian-Philip Andreas da sogar regelmäßig Jahr für Jahr einige Veranstaltungen moderiert. Hat mich jedenfalls sehr inspiriert. Nicht nur das Programm, auch das Wiedersehen mit Gian-Philip, einem der klügsten Menschen, die ich kenne.

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Am nächsten Tag ging die inspirierende Reise dann weiter. Habe die Galerie von Mathias Güntner besucht, ein Galerist aus Hamburg, den ich über unsere MTA-Autorin Dagrun Hintze kennengelernt habe. Mathias hatte ziemlich viel um die Ohren, was ich einigermaßen verwundert festgestellt habe, weil ich in meiner Naivität irgendwie dachte, Galeristen arbeiten so wie Kunsthändler irgendwie … ja … „unbemerkt“. Naja, jedenfalls hat er sich trotzdem freundlicherweise total viel Zeit genommen und mir das alles mal erklärt, wie das so funktioniert in der Kunst. Und wie man Künstler wird. Und wie wichtig da der Werdegang ist. Oder auch nicht, bzw. wie der seltene Fall aussehen muss, dass man als Quereinsteiger plötzlich Kunst machen kann. Wenn ich Freitag noch hier bin, schaue ich mir eine Ausstellungseröffnung bei ihm an.

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Am nächsten Tag haben wir mein Patenkind besucht, was auch superschön war. Besuche dieser Art waren in den letzten zwei, drei Jahren ja nicht so einfach möglich. Deswegen ist es mir wichtig, den Kontakt da nicht komplett abreißen zu lassen. Außerdem ist es auch spannend, sich jetzt, da die eigenen Söhne alle groß und aus dem Gröbsten raus sind, wieder mit jüngeren Kindern zu beschäftigen. Das kann man jetzt – mit etwas mehr Distanz und weniger Involviert-Sein – ganz anders angehen. Gelassener irgendwie, wie so vieles.

Insofern lässt sich vielleicht erahnen, wie reich meine Tage in Berlin gerade sind. Und dabei habe ich noch gar nichts über den eigentlichen Anlass meiner Reise geschrieben. Wollte nämlich ursprünglich für meinen neuen Roman, der für nächstes Jahr geplant ist, nochmal ein paar bestimmte Berlin- und Mauerfall-Themen recherchieren und „erspüren“, weil es in der Geschichte auch um diese Zeit zwischen Herbst 89 und Herbst 90 geht, also im Grunde um das „Heute“ vor etwas über 30 Jahren. Werde mir noch einige Museen anschauen (z.B. Tränenpalast, The Wall-Museum) und Orte besuchen (Alexanderplatz), doch davon die Tage mehr.

Fazit: Auch wenn es sich komisch anfühlt, dass meine Frau schon abreisen musste (die Arbeit), genieße ich diese Tage sehr. Dieses bewusste im Hier-und-Jetzt; im Zweifel eine Nacht in meiner idyllischen Unterkunft im ehemaligen Grenzgebiet dranzuhängen, weil das letzte Hemd keine Taschen hat. Und weil niemand weiß, ob man morgen die Dinge noch klar denken, fühlen und erleben kann. Ja, vielleicht auch weil das große Ganze drumherum immer beängstigender wird, und die Aussicht, die Welt könne nun in Ruhe und Frieden altern, Tag für Tag auf beinahe groteske Art dekonstruiert wird, sobald man die Nachrichten einschaltet.

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Schöne Aussicht, immerhin hier

Und ganz egal, was aus meinem Buch wird. Oder meiner Musik, meiner Kunst. Oder meiner Arbeit (gerade läuft der 4-Teiler über Katar in der Schweiz und ich ahne, dass die Reihe kontrovers diskutiert wird). Ich habe mir fest vorgenommen, in nächster Zeit umso verlässlicher und hoffnungsvoller und positiver für meine Liebsten da zu sein, je verrückter es da draußen wird. Ja, die eigenen Ziele und Träume sind wichtig, aber nicht so wichtig wie die Verantwortung für die Menschen, die man sich vertraut gemacht hat. Das hat mich die Krise gelehrt. Dankbar bin ich den Verursachern der Krise deswegen allerdings nicht.

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