Remo und Julia n

Mal gucken, wer den Titel versteht. Nur die Trommler, wette ich, egal.

Reformationstag. Allerheiligen. Bald beginnt die Adventszeit, aber es ist immer noch zu warm für die Jahreszeit. Zumindest kühlt es jetzt abends ab. Er sieht wunderschön aus, unser „Indian Summer“. Die gelben Blätter leuchten vor dem strahlend blauen Himmel, man tendiert bei all den christlichen Feiertagen beinahe dazu, sich wieder für Naturreligionen zu interessieren. Irgendeine Schöpfungsgeschichte wird schon stimmen.

Apropos Schöpfung – ich habe an dieser Stelle ja bereits von meinem kleinen neuen Musikprojekt (Geige/Drums) mit Mark Matthes erzählt. Nun organisiert Mark auch seit ein paar Jahren eine sehr ambitionierte Konzertreihe mit dem Titel 4fakultät. Letzten Samstag war die letzte Veranstaltung, und da hab ich es dann auch geschafft hinzugehen. Zum Glück!

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Manchmal ist es ja ganz gut, sich vorher nicht zu sehr zu informieren, um möglichst unvoreingenommen z.B. in ein Konzert zu gehen. Diesmal muss ich allerdings sagen, dass ich besser etwas recherchiert hätte. Dann hätte ich nämlich geschnallt, dass Mark und seine Kollegen für diesen Abend einen der interessantesten Trommler engagiert haben, die hierzulande so die Stöcke schwingen: Julian Sartorius.

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Es fing schon damit an, dass Julian auf dem Set gespielt hat, das ich auch immer nutze, wenn wir bei Mark proben. Das war ein ganz merkwürdiges, aber gutes Gefühl, das mich schon an früher erinnert hat, wo jedes Wochenende irgendwo mein Set auf der Bühne auf mich wartete. Aber an diesem Abend ging es um Julian und der hat es wirklich anders gespielt. Mit allerlei Accessoires: Holzblöcken, Kindertrommeln, Glocken und Handbecken usw. Er hat, glaube ich, zu keiner Zeit mal über ein paar Takte einen „normalen“ Groove gespielt (das wäre dann allerdings auf Dauer auch nicht meins). Und auch wenn mir während seines Auftrittes schon klar wurde, dass Mark nach dem Konzert zu mir so etwas sagen würde wie: „Haste gut hingeguckt? Kannste auch mal was von ausprobieren …“ muss ich sagen, dass es wirklich sehr inspirierend war, wie dieser Musiker das Schlagzeugspiel für sich definiert, nämlich in erster Linie über unkonventionelle Klänge.

Nun ist es ja nicht so, dass ich nie mit moderner Musik oder Freejazz in Berührung gekommen wäre, im Gegenteil, mein Schlagzeuglehrer in Münster Ben Bönniger (und im Übrigen für kurze Zeit davor auch schon Michael Peters und Wolfgang Ekholt) sind allesamt überzeugte Jazzer. Und Ben hat im Landesmuseum in Münster auch viele absolut legendäre Jazzkonzerte mit großen Trommlern initiiert. Aber: Auch wenn ich immer schon bereits als Teenager in vielen Jazz-, Klassik- und BigBand-Formationen mit z.T. sehr guten, kreativen und experimentellen Musikern spielen durfte, habe ich damals doch immer eher wie ein „Rocker“ Musik gehört. Weil es mir eindeutiger und anspruchsvoller erschien, wie z.B. Lars Ulrich die Double-Bassdrum bei Metallica gespielt hat, im Vergleich zu – flapsig gesagt – irgendwelchen Klangkünstlern, die sich gegenseitig ihre Schellenringe zugeworfen haben. Das beinhaltet natürlich nicht so außergewöhnliche Trommler wie Vinnie Colaiuta oder Dave Weckl, das habe ich damals schon verstanden, dass die von einem anderen Planeten kamen, aber, kurz gesagt, Jazz hören war für mich immer so … ja, kann ich auch. Ohne zu üben. Und tatsächlich haben mir das Einüben der Stücke unserer Rockband (z.B. das unten im Video) auch immer mehr abverlangt als die spontanen Jazz-Gigs. Aber natürlich ist das totaler Quatsch, also sorry für die jugendliche Arroganz an dieser Stelle schon mal.

Zum Glück wird man im Alter ja reifer. Und auch wenn das Konzert am Samstag nicht einfach zu hören war, hat es mich dennoch von der ersten bis zur letzten Sekunde begeistert. Weil ich so eine Darbietung heute offenbar mit anderen Augen sehen und mit anderen Ohren hören kann. Und weil es bei so einer Formation mit 6 internationalen MusikerInnen, die sich zum ersten Mal sehen und zum ersten Mal gemeinsam Musik machen, vor allem darauf ankommt, wie man sich zurücknimmt, ohne unterzugehen. Wie man zuhört, wie man aufeinander eingeht. Wie man virtuos spielt und dabei trotzdem das Ganze (es war ein Musikstück von ca. 2,5h Länge OHNE einen einzigen Break) nicht aus den Augen verliert. Oder den Ohren. Und da musste ich jetzt erstmal 2 Tage drüber nachdenken. Denn DAS war vielleicht sogar das eigentlich Inspirierende. Und das habe ich auch meinem neuen Bandkollegen Mark Matthes zu verdanken. Egal, was aus uns wird. 

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