Tolles aus der Tube – der große Dezember

Stimmt. Weihnachten naht, und die Erdmöbel gehen wie jedes Jahr wieder auf Tour, wie immer mit einem neuen Winterwunderweihnachtslied im Gepäck: Der große Dezember.

Ich habe den Song eben zum ersten Mal gehört – einfach schön. Musik UND Text. Ich kenne die Jungs ja tatsächlich ganz gut, sogar noch aus Zeiten, in denen sie in anderen Bands gespielt und noch nicht in Köln gelebt haben. Ekki Maas habe ich vor Ewigkeiten mal für meine Magisterarbeit interviewt. Ging um die (Un-)Konventionalität ästhetischer Kommunikation, verstehe ich selber nicht mehr. Mit Wolfgang bin ich zur Schule gegangen. Er hat damals für meine Jugendstil-Buch-Beilagen-CD einen Song produziert – und mich auf ein paar musikalischen Lesungen am E-Piano begleitet. Und mit der ganzen Band hab ich mal für arte gedreht. Schön war das alles. Ich frage mich gerade, ob sie mir irgendwann mal erzählt haben, warum sie damals geschlossen nach Köln gegangen sind und nicht z.B. nach Hamburg oder Berlin. Köln muss man ja wollen. Berlin allerdings auch. Über Hamburg hingegen lässt sich nicht streiten ;-)

Und nun sind sie auf Tour. Es muss ziemlich ätzend sein, jetzt wieder die Diskussionen um neue Corona-Maßnahmen zu verfolgen, wenn man im Bus sitzt, auf dem Weg zum Gig. Und noch zwanzig weitere Konzerte vor sich hat, von denen man nun hofft, dass sie auch stattfinden. Ich wünsche den Erdmöbeln (und allen anderen Künstlern und Kulturschaffenden) jedenfalls, dass nicht alles wieder komplett heruntergefahren wird. Obwohl ich andererseits auch möchte, dass wir diesen Shit endlich in den Griff kriegen.

Meine kluge Frau hat mir vor ein paar Wochen schon diesen Penny-Werbespot gezeigt, in dem der jugendliche Sohn seine Mutter fragt, was sie sich zu Weihnachten wünscht, und sie antwortet, sie wünsche ihm, dass er sich nachts aus dem Haus schleicht, Party macht, keinen Bock auf Schule hat, durchhängt, ein Mädchen kennen lernt und dass dieses Mädchen ihm das Herz bricht … Sie wünscht ihm eben ein ganz normales Leben. Und sie befürchtet, dass ihm in dieser Phase des Lebens gerade ganz viele Erfahrungen fehlen, die ein Mensch in seinem Alter machen sollte, um sich als „normaler“ Mensch zu entwickeln. Da ist natürlich etwas dran.

Bitte nicht falsch verstehen, was jetzt kommt; ich möchte, um Himmels Willen, Corona nicht mit einem Krieg vergleichen (auch wenn sich jetzt die Bundeswehr kümmert), aber letztens habe ich gedacht, wenn wir das Ganze niemals in den Griff bekommen sollten, dann wird der Ausnahmezustand eben der Normalzustand. Und dann werden wir lernen müssen, auch damit zu leben. Und es wird Spuren hinterlassen. Das merkt man ja jetzt schon. Womöglich sind wir schon auf der Schwelle dorthin!? Vielleicht werden wir dann irgendwann alle leichtsinniger. Ich meine nicht, dass man sich nicht impfen lässt, dafür gibt es keinen Grund. Leichtsinniger im Allgemeinen. Was Abstand angeht, soziale Kontakte, Umarmungen. Wie jemand, der in einer Region, in der man ständig mit Luftangriffen oder Heckenschützen rechnen muss, irgendwann eben doch einfach mal ungedeckt über die Straße läuft, weil er es einfach leid ist, immer und überall aufpassen zu müssen. Auf der anderen Seite ist ja auch nicht so schwer, ein paar neue Hygieneregeln dauerhaft zu übernehmen. So, wie man in den 80ern gelernt hat, dass man (eigentlich) immer Kondome benutzen sollte … ach, ich weiß es doch auch nicht.

Was kann man von einem Menschen erwarten? In einer globalen Gesellschaft, die sich vor allem über Leistung, Effektivität und Funktionalität definiert? Wieviel Widerstandskraft? Wieviel Individualität? Und wie schafft man es, anders zu denken, ohne ein „Querdenker“ zu werden? Schräg zu sein und sich trotzdem gerade zu machen, wenn es sein muss? Gegen den Strom zu schwimmen, um so den Fluss in die richtige Richtung umzuleiten?

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