Son Tag wie heute

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Wer will schon die Profis von St. Pauli sehen? – Hatte heute mal wieder eine ganz spontane Idee. Keine Kinder, keine Freundin, keine Termine, bin also in die Randbezirke Hamburgs Richtung Elbdeich gefahren und habe mir das Spitzenspiel unserer Seniorenstaffel angeschaut: ETSV gegen Glinde. Was für ein Genuss. Also, nicht das Gekicke, das wird in zunehmendem Alter einfach nicht besser, aber der Rest. Das Drumherum. Alles friedlich, kaum Regen, und in der Halbzeit eine gute alte Bratwurst. Nichts für meine Cholesterinwerte, aber für die Seele.

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Beim Fußballschauen ist mir wieder eine Sache aufgefallen: Ja, es ist auch ein Platz für zivile Aggressionen, aber noch mehr für Sportsgeist und Fairplay. Wie oft sich in den 70 Minuten zwei erwachsene, männliche Kontrahenten die Hände geschüttelt haben, einfach toll. Selbst die Diskussionen mit dem Schiedsrichter verliefen respektvoll und freundlich. Obwohl es auf dem Papier um den Platz an der Spitze ging (um den wir, nebenbei bemerkt, auch immer noch mitkämpfen).

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Zu Hause geht es gerade genauso idyllisch weiter. Die faulen Kater schlafen, die Supermarkt-Blumen, die ich gestern gepflanzt habe, tun so, als wären sie was ganz Besonderes. Das alles rührt mein Herz.

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Seit 15:30 Uhr drücke ich meinen bescheuerten, arroganten Bayern die Daumen. Merke, dass ich immer noch der Niederlage gegen Liverpool hinterher trauere. Das sind aber wahrlich alles nur Luxusprobleme. Habe heute auf dem Nachhauseweg überlegt, noch einen Abstecher in die KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu machen, doch das nehme ich mir mal für einen der nächsten Sonntage vor. Das sollte man in Ruhe machen und vielleicht auch mit den Jungs. Man kann nur dankbar sein für jeden Tag, den man in Friedenszeiten verlieben darf (Anm.: spreche den Text, wenn ich unterwegs bin, immer in mein Smartphone, und an der Stelle hat die Spracherkennung aus „verleben“ ein „verlieben“ gemacht, egal, das kann man mal so stehen lassen).

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Bin stattdessen noch ein bisschen an der doofe Elbe spazieren gegangen (jetzt ist es aber genug, Spracherkennung). Am olympischen Ruderstützpunkt diese interessante Brücke gesehen, der Mittelteil liegt auf Rollen und kann bei Bedarf einfach übers Wasser geschoben werden, um die Lücke zuschließen. Das ist doch genial. Warum besinnen sich die Menschen nicht immer darauf, etwas Gutes aus ihren Möglichkeiten zu machen? Das mechanische Prinzip ist ja beinahe antik, da hätten auch schon die alten Ägypter drauf kommen können. Vielleicht sind die alten Sachen manchmal doch die besten. Habe das gestern wieder gedacht, als ich Kartoffeln gekocht habe. Die waren allerdings neu.

Zuletzt noch ein Mini-Abstecher an der evangelisch-lutherischen Dreieinigkeitskirche in Allermöhe. Dort ein paar Beobachtungen gemacht: Warum eigentlich immer Stiefmütterchen? Auf dem Friedhof natürlich das große Thema: Tod, aber nicht nur auf natürliche Weise, sondern auch in Gedenken an die Weltkriege.

IMG_9384IMG_9386IMG_9380Genau das meine ich, wenn ich sage, Friedenszeiten sind das Paradies auf Erden. Man vergisst bei dem historisch-theoretischen Diskurs manchmal, was ein großer Krieg mit einem kleinen Dorf macht. Er rottet es aus!

Unter einem Grabstein, den ich aus Datenschutzgründen nicht zeige, liegt offenbar ein Paar. Er: geboren 1910, sie: 1919. Er: gestorben im Oktober 1944, sie 2008. Angenommen, die beiden waren ein Paar, dann werden sie frühestens 1937 oder 1938 geheiratet haben, die Frau muss damals jedenfalls noch sehr jung gewesen sein. Und als er einberufen wurde, können sie höchstens ein paar Jahre verheiratet gewesen sein. Das heißt, die Frau hat fast ihr ganzes Leben als Witwe gelebt. Das ist so schrecklich, dass man dafür eigentlich kaum Worte findet.

Kurz bevor ich wieder zu Hause war, bin ich noch in Jenfeld einer freien Tankstelle vorbeigefahren. Dort hatte ein 15-Jähriger große Probleme sein BMX-Rad aufzupumpen, weil das Ventil abgeknickt war. Er hat mich sehr nett gefragt, ob ich ihm helfen könne, und ich konnte ihm helfen. Hatte zufällig ein bisschen Werkzeug dabei und gemeinsam haben wir es hinbekommen. Genauso freundlich und sogar etwas erleichtert hat er sich anschließend bei mir bedankt. Ich war auch froh, ihm helfen zu können, das war wirklich ein sehr nettes, überraschendes Erlebnis.

Auch der Abschluss des Tages nachher wird sich sehen lassen können: Dortmund-Tatort an der Seite meiner Liebsten. Aylin Tezel, die ich sehr schätze, hatte gestern Abend schon einen großen Auftritt in „Die Informantin“. Klasse Buch, klasse Film.

Ansonsten? Habe ich gestern meine Gedichte-Sammlung weiter auf Vordermann gebracht. Das macht Spaß, da durchzupflügen und alle Zeilen, die sich in sich verrannt haben, in die Kabine zu schicken. Ja, möglicherweise befasse ich mich zu viel mit Fußball. Aber besser als Jagdgewehre zu sammeln oder exotische Tiere.

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