ZEN-Sur

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Hatte ein sehr erfolgreiches, aber natürlich viel zu kurzes Arbeitswochenende mit Sebastian von den Alphabeten. Wir waren in einer Art Landgasthaus in der Nähe von Wacken, haben neue Bilderwitze kreiert und weitere Podcast-Folgen produziert. Kann es kaum erwarten, dass dieses tolle Projekt endlich an den Start geht.

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In einer der kleinen Pausen waren wir im Ort Wacken, der ja wirklich unter dem Einfluss dieses Festivals steht. Da gab es auch so einen Metal-Mittelalter-Rollenspiel-Laden mit Kostümen und Schwertern, zum Teil mit Kunstblut verziert. Nicht mein Ding, aber beeindruckend. Allerdings achtet man offenbar darauf, dass die psychosoziale Balance im Ort stimmt:

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Herzstück und Engel (der Alphabeten) – und ein paar Zeitschriften …

Nebenbei erzählte mir Sebastian, dass die Firma für die er letztes Jahr viel gearbeitet hat, einen ECHO gewonnen hat, für dieses Beatsteaks/Deichkind-Video „L auf der Stirn“. Ich erwähne das deswegen, weil es eine schöne Überleitung zu einem unschönen Thema ist, nämlich der Frage: Was darf Kunst? Oder versteckt sich vielmehr manchmal dämlicher, geschmackloser Content unter dem Deckmantel der „künstlerischen Freiheit“? Ich würde mich normalerweise gar nicht so intensiv mit diesem Genre beschäftigen, aber 1) glaube ich, dass meine Söhne sowas hören, und 2) würde mir dann vielleicht einmal dasselbe passieren, was jetzt Jens Balzer passiert ist, der in der ECHO-Jury saß und erst im Nachhinein realisierte, wer da eigentlich für was ausgezeichnet wurde.

Offensichtlich hat ihn das so beschäftigt, dass er prompt einen Kommentar für die taz verfasst hat, den ich hier auszugsweise zitiere, weil ich die Debatte auch wichtig finde:

„Um es gleich zu gestehen: Ich war selbst in der Jury und habe zwar nicht für Kollegah und Farid Bang gestimmt, aber mich über ihre Nominierung auch nicht weiter empört, das war eine Nachlässigkeit. Offen gesagt, hatte ich einfach keine Lust, mir den klanglichen Ausstoß der beiden von vorne bis hinten durchzuhören, sonst wäre mir auch aufgefallen, was nach der Bekanntgabe der Nominierungen zum Thema wurde. In dem Song „0815“ rappt Farid Bang nämlich: „Deutschen Rap höre ich zum Einschlafen / Denn er hat mehr Windowshopper als ein Eiswagen, ah / Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet / Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“, das heißt, er hat so wenig Fett auf den Rippen wie sonst nur jemand aus dem KZ. In anderen Songs schwelgen die beiden in heiteren Gewaltfantasien, sie wollen Menschen, die ihnen nicht passen, mit einem „Sprengstoffgürtel“ massakrieren oder mit einem Lkw, „als wärst du auf dem Weihnachtsmarkt“, oder mit einem Attentat „wie bei Charlie Hebdo“; oder anders gesagt: Sie finden alle Arten von Gewalttaten toll, bei denen Christen und Juden ums Leben kommen. Warum wird so etwas zum „Album des Jahres“ nominiert? […] Ihr Album wurde seit Dezember 200.000-mal verkauft und über 30 Millionen Mal gestreamt, ohne dass es irgendeine nennenswerte Debatte über antisemitische oder sonst wie reaktionäre Textzeilen gegeben hätte. […] Wozu das führt, kann man zum Beispiel auf Berliner Schulhöfen studieren, wo die Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt.“

(Quelle: taz vom 14.04.2018)

Ich erinnere mich an einen Einkauf mit meinem Kumpel Christian bei Elpi, dem heißesten Plattenladen in Münster. Oder war es Jörgs CD-Forum? Egal, jedenfalls habe ich als damals 14-Jähriger (und ich sah jünger aus) erst mein Herz und dann die Ärzte-Scheibe „Die Ärzte“ in die Hand genommen und möglichst unbeteiligt zur Kasse getragen, wo sie die junge Dame damals noch unbeteiligter und ohne aufzublicken abkassierte. Christian hätte sich fast noch verplappert, weil die Platte damals Stücke enthielt, die in der Zwischenzeit auf dem Index gelandet waren. Ich konnte ihm gerade noch vors Schienbein treten. Draußen vor dem Laden haben wir dann vor lauter Erleichterung einen Lachanfall bekommen. Ja, vielleicht waren da zwei, drei Nummern (noch) nichts für unsere roten Ohren, aber gegen das Zeug, was bestimmte „Künstler“ so von sich geben, erscheint mir das heute total harmlos. „Ich könnte sie auch ideal in dieser Stellung f….“ (Sweet Gwendoline) klingt doch irgendwie anders als „Dein Chick ist ’ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick‘ sie, bis ihr Steißbein bricht.“ Oder sehe ich das zu verkniffen? Bin ich jetzt wie meine Eltern?

Lest mehr taz!

Und ich werde wieder mehr und kritischer Hip-Hop hören …

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