fairundwürzig

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Juhu! Mit Extra-Lob von der Prüferin. „Sieht der gut aus!“ Sie meinte den Elch, nicht den Ochsen, der ihn fährt …

Bin vor ein paar Tagen 44 Jahre alt geworden. Ich glaube, ich habe das letztes Jahr schon so gesagt, aber dieses Jahr ist es wirklich so: Die Hälfte ist rum. Wenn es gut läuft.

Habe zum Jahresende das übliche Programm organisiert: Zahnarzt, Kontrolle und Reinigung, dann TÜV (alle zwei Jahre) und Hausarzt, großes Blutbild, checken, ob das Cholesterin-Mittel bei mir anschlägt und auch sonst alles noch funktioniert. Das sind immer so zwei, drei ganz entscheidende Termine am Ende des Jahres, bei denen man sich im Prinzip immer das gleiche Urteil wünscht: dass man sich gut gekümmert hat. Um seine Zähne, sein Auto, seinen Körper. Das Ergebnis: 2:1 gewonnen. Auto und Körper sind intakt, aber zum Zahnarzt muss ich im Januar nochmal.

Mein Hausarzt ist ganz anders als andere. Nimmt sich Zeit, ist entspannt, und ich bin ihm immer noch treu, obwohl ich jetzt schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Altona wohne, sondern immer aus Rahlstedt komme. Ist ihm diesmal auch aufgefallen, er war ganz gerührt. Jedenfalls hat er mich gefragt, wie es mir geht, und es klang nicht wie eine Floskel, und kurz darauf wusste ich auch, warum, weil ich ihm nämlich vor geraumer Zeit offenbar mal erzählt habe, dass ich nicht glücklich sei. Ehrlich, stand so schwarz auf weiß in seinem Computer, und er zeigte darauf und sagte, dass sei doch so schade, wenn man nicht glücklich sei, weil das Leben doch toll sei, aber er sagte es nicht doof, sondern so, dass man dachte: Ja, das ist wirklich schade. Warum war das so? Ich weiß, dass mein Eintrag damals mit dem Job zu tun hatte und den Kindern, die mir die meiste Zeit fehlen, aber im Wesentlichen lag es, glaube ich, an meiner Einstellung, bzw. an meiner Unfähigkeit zu erkennen, wie reich mein Leben eigentlich ist. Und vielleicht ein bisschen auch an meiner Angst, meinen Job in meinem Sinne umzugestalten.

Und jetzt kommt die Duplizität der Ereignisse, denn meine Mutter hat mir zum Geburtstag „Der Zahir“ von Paolo Coelho geschenkt, ein Buch, das ich mir normalerweise selber nie gekauft hätte, hab es dann aber aus Langeweile angefangen und relativ zügig weitergelesen. Gar nicht so sehr, weil es mich vom Hocker gehauen hat, obwohl es mir nicht schlecht gefällt, sondern eher, weil die literarischen Erörterungen der Sinnfragen, genauer: die Dialoge über die Unzufriedenheit zwischen dem Erzähler und seiner (EX-)Frau Esther aktuell bei mir auf offene Ohren stoßen. Da sagt Esther an einer Stelle (Seite 108 der Diogenes-Taschenbuchausgabe) wörtlich: „… ich habe gesehen, daß im Krieg, so paradox es klingen mag, die Menschen glücklich sind. Die Welt hat für sie einen Sinn. (…) Sie sind fähig, grenzenlos zu lieben, denn sie haben nichts mehr zu verlieren. Ein tödlich verletzter Soldat bittet die Ärzte nie: `Rettet mich doch!´Seine letzten Worte sind meistens: `Sagen Sie meinem Sohn und meiner Frau, daß ich sie liebe.´“ Ich würde es anders formulieren. Niemand ist im Krieg glücklich (außer vielleicht sadistischen Diktatoren). Aber in existentiellen Situationen erkennen wir den Wert des Lebens. Das kann Krieg sein, aber z.B auch eine schwere Krankheit. Ich erinnere mich, dass ich während meines Zivildienstes auf einer ontologischen Station durch den täglichen Kontakt mit Krebskranken sehr demütig geworden bin und erkannt habe, was für einen hohen Wert Gesundheit darstellt. Diese Ansicht habe ich mir auch im Grunde bis heute bewahrt. Und dennoch ist mein Ziel für 2018, die Tage wieder verstärkt so zu erleben, als wäre jeder neue Tag vielleicht der letzte, und dabei das große Ganze nicht aus den Augen zu lassen.

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Also: Das Loch im Zahn ist kein Problem, sondern der ganze Rest ein Geschenk; dass Menschen an meinem Geburtstag an mich denken, dass meine Kinder Humor haben und mir meine Freundin meine Schwächen verzeiht. Dass ich in meinem Leben selbst Impulse setzen kann. Dass ich einen Ausflug ins Alte Land machen und irgendwo an der Elbe Pommes essen kann, um im Anschluss nach Stade ins Kunsthaus zu fahren und mitten in der Thorsten-Brinkmann-Ausstellung zu erkennen, dass in der Kunst alles möglich ist.

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Vor allem Lebensfreude. Dass ich mich mit dem, was ich tue, mache, sage und denke, selbst regulieren kann – ohne Hilfsmittel, wie z.B. der Chill Pill (kein Scherz, war ne Werbung in der BUNTEN, in Kombi mit einem „Artikel“ über Stress, Content Marketing der schlimmsten Art, egal, ich schweife ab …).

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Niemand nimmt mich willkürlich fest, höchstens in den Arm, aber nicht auf den Arm, und das ist mehr, als ein Mann vom Leben erwarten kann. Heute Nachmittag saß ich auf unserer Terrasse, und da fiel mein Blick auf meinen kleinen Tannenbaum. Hab ihn vor Jahren als ca. 10 cm kleinen Ableger aus Schweden heim geschmuggelt. Wie der überlebt, sich klimatisiert und seine Zweige Jahr für Jahr mutiger ausgestreckt hat – das rührt mein Herz.

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Ich wünsche allen Menschen ein friedliches 2018.

 

 

 

 

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