Not(!)izen – nüchtern betrachtet

Adventskranz17

So, erster freier Tag seit langem. Ohne Job, ohne Termine, ohne Druck. Herrlich. Genau richtig für einen ersten Advent. Die gute Nachricht ist: Ich habe die kleine Weihnachtslichterkette repariert. Die schlechte: Ich habe den ganzen Kram für den Adventskranz nicht gefunden. Maria und Josef hingen noch vom letzten Jahr über der Tür, ein bisschen peinlich, egal. Die Zeit rast eben nur so dahin, aber ich arbeite daran, dass sich das ändert (siehe unten).

mariaundjosef17

Im Moment passieren da draußen wieder viele Dinge: kleine, große, langweilige, interessante, schöne, traurige, direkt vor der Haustür und ganz weit weg. Die heftigsten Ausschläge in beide Richtungen: Der Hund meiner Schwester ist gestorben. Das ist so traurig, dass mir die Worte fehlen. Und: Ich war diese Woche zu Gast im Privatarchiv des ehemaligen Stern-Reporters Gerd Heidemann, der mir erstens Auszüge aus seiner unfassbaren Sammlung gezeigt und erläutert hat, und mir zweitens noch einmal über Stunden die Geschichte der (von Konrad Kujau gefälschten) Hitler-Tagebücher erzählt hat, die er damals für den Stern „aufspüren“ sollte. Oder wollte. Von dieser Geschichte existieren ja bis heute viele Versionen. Die von Heidemann habe ich also noch mal persönlich serviert bekommen. Er hat mir unter anderem ein paar Einzelseiten von Kujau vorgelesen, auf denen sich „Hitler“ (also Kujau) mit der Endlösung beschäftigt, und das dann beim Lesen (angeblich haben diese Seiten erst zwei Leute außer mir gesehen) noch kommentiert, ich muss gestehen, es ist mir zunehmend schwerer gefallen, die journalistische Distanz zu wahren, so ambivalent, spannend, verrückt und natürlich zugleich inhaltlich-indiskutabel war das.

Mal unabhängig von allen juristischen und moralischen Bewertungen, war das, ehrlich gesagt, einer der interessantesten Termine seit langem. Und das Archiv einer der interessanten Orte überhaupt. Frage mich immer noch, wie man so eine Sammlung an Original-Dokumenten zusammentragen kann. Durfte ein Foto machen, musste ihm aber versprechen, es nicht zu veröffentlichen. Bemühe mich gerade um eine Freigabe.

Merke jedenfalls unterm Strich, dass der Plan, an meiner Einstellung zu arbeiten (s. Blog-Eintrag vom 20.11.), mehr oder weniger greift. Also, eher mehr. Schaffe es, einen Schritt zurückzutreten und mich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Familie. Meine Beziehung. Meine Kinder. Mein Ich. Auch wenn man diesen zentralen Lebensthemen nie hundertprozentig gerecht wird. Weil man sich manchmal entscheiden muss. Weil manchmal immer jemand kurzzeitig auf der Strecke bleibt. Weil man sich nicht zerreißen kann.

Das ist das Wichtigste: Anzuerkennen, dass man sich nicht zerreißen kann und aus diesem Wissen heraus die beste Entscheidung zu treffen. Und dass man anderen nicht helfen kann, wenn man sich selbst vernachlässigt.

Was mir im Alltag ebenfalls hilft, ist die Erkenntnis, dass es besser ist, sich über das freuen, was man hat, als dem hinterher zu hecheln, was man (noch) nicht hat. Erstens macht es zufriedener, zweitens vergeht die Zeit nicht so schnell. Weil man sich mehr Zeit für das „Jetzt“ nimmt.

Durchblicken, statt fern sehen
Durchblicken, statt fern sehen

Außerdem führt die neue Aufgeräumtheit dazu, dass man wieder offener für neue Themen wird. Habe gestern Abend eine Böll-Doku auf 3SAT gesehen, die mir sehr gefallen hat. Seine kritischen Gedanken über die Kirche, obwohl er selbst durchaus ein gläubiger Mann war. Die Frage, warum beide Kirchen den Nationalsozialismus zugelassen haben!? Die Flucht nach Irland, weil ihm in Köln das Leben zu anstrengend war. Ebenso die ständige Geldnot, bevor der Erfolg kam. Man weiß viel zu wenig über diese großen Denker, und ich kann nur hoffen, dass es Sender wie 3SAT immer geben wird.

War jedenfalls im Anschluss total wach in der Birne, im weiteren Verlauf auch ein bisschen berauscht von meinem Feierabendbier, was schließlich eine sehr energetische Mischung ergab. Hab wie wild Notizen gemacht – und muss jetzt mal bei Gelegenheit schauen, was davon wirklich wichtig ist. Also, nüchtern betrachtet. Ihr könnt ja schon mal anfangen …

Ein Blick
Ein Blick

Einen Satz von Böll habe ich schon verifiziert: „Die Sprache kann der letzte Hort der Freiheit sein.“

Ein guter Anfang.

Fürs Ende.

 

 

 

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