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Bin gerade Strohwitwer. Freundin weg, Kinder weg, ich hier. Einer muss sich ja um die Kater kümmern. Nein, nein, alles gut, ich hätte mitfahren können, aber ich hab tatsächlich die nächsten Tage jobmäßig zu tun. Außerdem finde ich jetzt vielleicht sogar mal Zeit, durch meine Notizen zu schauen und mir zu überlegen, welches literarische Projekt ich als nächstes starte. War ja noch nie als Autor auf der Frankfurter Buchmesse. Lange war das ein schönes Ziel, jetzt, da auch diese Veranstaltung von Neonazis unterwandert wird, hat es ziemlich an Reiz verloren, aber gut, vielleicht lernen die Organisatoren daraus für die nächsten Jahre.

Komme also ein wenig zur Ruhe. War gestern im Dorf, auf dem Markt. Und beim Uhrmacher, hab drei Uhren hingebracht und eine halbe Stunde später wieder abgeholt. Zwei neue Batterien, ein neues Armband, einen Uhrdeckel repariert, alles zusammen für 37 Euro, aber ich hab das Gefühl, plötzlich drei neue Uhren zu besitzen.

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Ich liebe es, ab und zu wirklich nachhaltig zu handeln, wenn sich denn schon mal die Gelegenheit bietet. Habe abends, parallel zur Bundesliga, gleich noch meine Buffer geklebt, obwohl ich kurz mit dem Gedanken gespielt habe, mich in meiner kleinen „Einsamkeit“ mit einem neuen Paar Fußballschuhe zu entschädigen. Bin froh, dass ich es nicht getan habe. Außerdem bin ich auch nicht ganz alleine. Die Kater sind ja da und freuen sich, dass ich wenigstens hier bin. War ja in letzter Zeit viel unterwegs. Und ich freu mich auch, obwohl sie gestern in aller Herrgottsfrühe dermaßen durchs Wohnzimmer getobt sind, dass ich ihnen beinahe das Fell über die Ohren gezogen hätte.

Doch zwischendurch wird es schon sehr still. Musste ein paar Mal daran denken, dass es viele Menschen gibt, die jeden Tag alleine sind. Ich merke das schon an Tag 2, dass man plötzlich dazu tendiert, Dinge, die man denkt, laut auszusprechen, um die Stille zu brechen. Hab den Fernseher an, arte, zur Beruhigung. Bin beim Frühstück in einem Film gelandet, der schon Freitagabend lief: „Die Tage unter null“, mit Marie-Sophie Ferdane und Mehdi Nebbou (vielen bekannt als der „Trivago“-Mann). Bin am Freitag jedenfalls schon beim Ende vor Begeisterung ausgeflippt, hab meiner Freundin die letzten zwei Minuten drei Mal vorgespielt, obwohl sie eigentlich Koffer packen musste.

Der Film erzählt, kurz gesagt, die Geschichte zweier Menschen, die sich am Ende begegnen. Im Off beginnt ein Dialog, der – aus der Nachbetrachtung – erzählt, was in beiden in diesem Moment vorgegangen ist. Das heißt, man weiß ganz am Ende, dass sie sich offenbar kennen gelernt haben und nun ein Paar sind, obwohl der Film auf der erzählten Zeit-Ebene genau davor aufhört. Allein das wäre schon ein schöner dramaturgischer Kniff, doch durch die Bildsprache des Kameramannes Matthieu Poirot-Delpech wird es zu einem Stück Filmkunst. Ich bin ja auch ein großer Fan von Spiegelungen (arbeite ja auch bei SPIEGEL TV, haha), aber hier ist es wirklich außergewöhnlich gut in Szene gesetzt und montiert. Der Film läuft noch bis zum 21. Oktober in der arte-Mediathek. Kann ich nur empfehlen.

Snapseed
Snapseed-Bearbeitung: Gerrit Joens-Anders Copyright des Originals: Arte France, Scarlett Production

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