Na, Tour

langsee1

Vier wunderschöne freie Tage mit der Familie in Schleswig-Holstein verbracht. Immer wenn man Zeit mit der Familie verbringt, merkt man erst, wie wichtig das eigentlich ist, beziehungsweise wie unwichtig alles andere. Auch wenn man es nicht schafft, immer alle Liebsten unter einen Hut zu bringen.

Lasse mich gerade wieder auf eine sanfte Art von bestimmten Inhalten in bestimmte Richtungen drängen. Lese zwischendurch diesen letzten, kleinen, unvollendeten Roman „Bilder deiner großen Liebe“ von Wolfgang Herrndorf. Einfach schön, die geraden Sätze, aber vor allem die ungeraden Gedanken.

Parallel habe ich mir außerdem ein Buch des Kirchenkritikers Martin Urban vorgenommen. Urban kritisiert die evangelische Kirche, weil sie eben keine Reformkirche mehr sei, sondern zunehmend fundamentalistisch. Das Interessante daran ist auch, dass Gerhard Roth das Vorwort geschrieben hat, ein relativ bekannter Hirnforscher und Konstruktivist. Hatte jedenfalls schon auf den ersten Seiten eine helle Sekunde, in der mich plötzlich beim Lesen das Gefühl packte, die Verbindung zwischen kognitiver Autonomie und dem ewigen Leben, bzw. der Seele für mich ableiten zu können. War dann aber doch nix. Egal, daran sind aber wohl schon einige andere vor mir gescheitert.

Herrndorf hat zu dem Thema einen schönen, schrägen Gedanken verfasst, den seine Protagonistin Isa auf ihre unnachahmliche Art formuliert: „Im einen Moment denkt man, man hat es. Dann denkt man wieder, man hat es nicht. Und wenn man diesen Gedanken zu Ende denken will, dreht er sich unendlich im Kreis, und wenn man aus dieser unendlichen Schleife nicht mehr rauskommt, ist man wieder verrückt. Weil man etwas verstanden hat.“ (S. 106)

Das Verrückte, wenn ich in Schleswig Holstein bin, ist, dass ich denke, ganz viel Zeit sei vergangen und gleichzeitig wieder überhaupt keine, weil viele Dinge immer noch ganz ähnlich sind, viele Wege noch dieselben, und wenn ich sehe, wie meine Söhne nun in dem Alter, in dem ich damals war, bestimmte Wege gehen, füllen sich meine Augen mit Wasser.

langsee2

Vielleicht bin ich auch bloß überarbeitet.

Hatte noch nie zuvor das Gefühl, dass einen seine „Frei-Zeit“ so unter Druck setzen kann. Das muss (s)ich im nächsten Jahr ändern. Es kann nicht sein, dass Luxusprobleme zu alltäglichen Problemen auswachsen.

langsee3

Danke dem Himmel, dass meine Söhne noch so ein Faible für die Natur haben. Waren am Wochenende zweimal am Langsee, nicht bei bestem Wetter, aber egal. Die großen Bäume, das Rauschen der Blätter, das Plätschern des Wassers – da kann man zum Existentialisten werden. Oder zum Naturphilosophen. Es wirkt tatsächlich so, als stecke in jedem alten Baum ein Geist, und das hat nichts mit Konstruktivismus zu tun. Oder vielleicht gerade doch?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert