Stichworte

img_3042

Nach meinen ersten Gehversuchen bei Facebook heute mal wieder ein paar längere Gedanken zur Situation. Es ist ein bisschen viel auf einmal vielleicht, zudem ungeordnet, Stichworte.

Letzte Woche sorgte eine Meldung für Aufruhr, wonach Jugendliche nicht mehr zwischen Werbung und Nachricht unterscheiden können. Ich würde mal behaupten, das geht nicht nur Jugendlichen so, sondern auch vielen erwachsenen Frauen, die die (gesponserten und unmerklich als Anzeige getarnten) Beauty-Seiten in der BUNTE durchblättern.

Im Mittelalter brüllte ein Mann auf dem Marktplatz die Neuigkeiten aus dem Umland. Briefe waren monatelang unterwegs. Damals konnten sich die Menschen keine richtige Meinung bilden, weil sie zu wenig Informationen hatten, vor allem die Landbevölkerung. Die hatte nur ihre Erfahrungen und ihren Glauben.

Die Erfindung des Buchdrucks war deswegen ein Meilenstein (auch wenn Kritiker damals genau wie heute fragen, ob das schon der Anfang vom Ende war). Auch dass in den folgenden Jahrhunderten immer mehr Menschen lesen und schreiben lernten. Dass es irgendwann sogar Medien gab, die die Bevölkerung informierten – mit all den Problemen, die es bei massenmedialer Berichterstattung immer schon gab.

In den letzten 50 Jahren haben sich diesbezüglich ein paar Begriffe etabliert, die versuchen, unser Zeitalter oder unsere Gesellschaftsform zu beschreiben: Kommunikationszeitalter, Informationszeitalter, Mediengesellschaft oder  Wissensgesellschaft. Ich denke, die letzten Monate haben gezeigt, dass wir – was den Einzelnen und seinen individuellen Wissensstand betrifft – weit von einer „Wissensgesellschaft“ entfernt sind (abgesehen davon, dass echtes Wissen immer noch Macht bedeutet). Dass andererseits zu viele, schlecht oder unzureichend kommentierte Informationen die Menschen genauso weit von einem Wahrheits-Bild wegführen wie wenig oder keine Informationen.

Die BILD(!)-Zeitung postuliert das seit Jahren: Bild dir eine Meinung. Sprich: Lies unsere Zeitung – das reicht. Nein, das reicht eben nicht. Das wusste man aber auch immer schon, sogar die Leser der BILD. Aber heute? Selbst ich kann nicht auf Anhieb jede Quelle einschätzen – und ich bin „Journalist“. Wie soll das ein 15-Jähriger können?

Die Politik hat es versäumt, neben der technologischen Entwicklung der Medien auch die Medienpädagogik weiterzudenken, dabei gab es früh genug warnende Stimmen. Und die klassischen Medien haben es versäumt, ein sicheres Netz zu den jungen Lesern und Hörern zu knüpfen. Jetzt müssen sie zusehen, wie sich Meinungen verselbständigen. Und zwar meistens die Meinungen, die am krassesten sind. Oder am grellsten verpackt. Oder von Popstars verkündet.

Ironischerweise sind wir damit der mittelalterlichen Landbevölkerung wieder ziemlich ähnlich geworden. Ich meine, die Bundeswehr wirbt mit einer Doku-Soap bei Youtube für Nachwuchs. Das sagt ja eigentlich alles.

img_3035

Wir sind vielleicht besser informiert denn je. Aber was wissen wir wirklich? Insofern ist es auch kein Wunder, dass der Glaube verschiedentlich wieder so einen hohen Stellenwert einnimmt.

Jetzt sind Medien und Politiker ratlos. Wie konnte die Welt so aus den Fugen geraten? Ja, das kommt davon, wenn man auch Geisterfahrer und Leute ohne Führerschein mit einem Panzer auf die Datenautobahn lässt.

Eigentlich muss es heißen: Bilde dir eine eigene Meinung. Oder noch besser: Informiere dich so, dass du dir ein eigenes Urteil erlauben kannst, welches der Summe, nein, der Schnittmenge der subjektiven Wirklichkeiten so nah wie möglich kommt.

Ich mache noch eine andere Beobachtung: Dass dieses allgemeine, ungute Gefühl, das nun überall herrscht, selbst schon wieder ein Katalysator für neue Meinungen geworden ist. Dass – wiederum auf einer Marketingebene – an einem guten Gefühl gebastelt wird. EDEKA hat wieder einen Weihnachtsspot gemacht: Wir sollen Zeit verschenken. ALDI hat vorher proklamiert: Weil einfach einfach einfach ist. Das ist alles gut gemacht und für zynische Soziologen ganz amüsant, wie die Kreativen, angesichts des globalen Chaos, alle gerade emotional zusammenrücken. Aber wie nachhaltig ist das? Ist ja nur Werbung …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert