Das Leben ist wirklich schön

trabi

Jeder geht im Leben durch Höhen und Tiefen. Und wenn es nicht ab und an die Tiefen gäbe, wüsste man die Höhen auch nicht mehr zu schätzen.

War in den letzten Tagen – wie vermutlich die meisten von Euch – etwas „trumpisiert“, d.h. ich wusste, es geht mir, objektiv betrachtet, gut, fühlte mich innerlich jedoch wie einer, der mit verbundenen Augen, Händen und Füßen auf einer Bombe sitzt.

Es erstaunt mich immer wieder, wie fragil die menschliche Psyche in einer solchen Situation ist. Wie ein paar kleine Alltäglichkeiten, gepaart mit dieser allgemein-kippenden Stimmung, mit einem Mal zu einem unüberwindlichen Hindernis werden können. Und wie schnell sich diese Berge dann manchmal wieder von alleine abtragen.

So dachte ich am Sonntag wirklich, mein alter Elch wäre reif für den Schrott. Das hätte mich fast umgehauen. Materiell, aber vor allem emotional. Zum Glück half mir meine Schwester (am Sonntag, auf dem platten Land, wohlgemerkt), einen Schrauber zu finden, der sich das angucken wollte. Am Montag Nachmittag bekam ich einen Anruf aus dessen Werkstatt, und die erste Diagnose besätigte meine Vermutung: Neue Hinterachse. Kacke. In meiner ganzen Not habe ich meinen Vater angerufen, ehrlich, ich fühlte mich wieder wie ein kleiner Junge, dessen BMX-Rad einen Plattfuß hat. Und mein Vater war sofort zur Stelle, meinte, klar, kriegen wir hin, komm einfach mit dem Auto runter. Aber wie? Woher einen Trailer bekommen? Außerdem kommen die Kinder nächstes Wochenende … wiewiewie? Parallel rief der Typ aus der Werkstatt meine Schwester an und meinte, er könne das Auto so fahrbereit machen, dass ich damit heil und sicher zu meinem Vater käme. Das war schon mal cool. Trotzdem hab ich in der Nacht auf Dienstag kein Auge zu getan.

Gestern Morgen hat mich meine Freundin zur U-Bahn gefahren und mir Mut zugesprochen, dass alles gut werde, und es am Ende „nur eine Autoreparatur“ sei, was ja auch stimmt. Und plötzlich hab ich die Dinge wieder positiver gesehen. Freute mich darüber, dass meine Liebsten für mich da sind und mein Vater schon bei sich daheim an einer Lösung bastelte. Hab daraufhin einem Obdachlosen an der U-Bahn einen Kaffee spendiert und seiner Kollegin eine Hinz&Kunzt abgekauft. Klingt dämlich, aber mit einem Mal spürte ich wieder, Alter, es geht in diesem Leben hier nicht nur um dich.

Abends bin ich dann mit Bus und Bahn aufs Land gefahren, um mein Auto abzuholen. Auf dem Weg hab ich die Hinz&Kunzt gelesen, darin u.a. ein ganz tolles Interview mit Wolf Biermann und einer Reportage über ein paar Obdachlose und wie die sich jetzt auf den Winter vorbereiten. Und da bin ich ganz demütig geworden, und ich dachte, verdammt, sei doch nicht immer so ein ängstlicher, bescheuerter Idiot, der sich von einer Autoreparatur ins Bockshorn jagen lässt. Meine Laune wurde immer besser. Ich dachte, ey, der Vater von Wolf Biermann wurde in Auschwitz ermordet, deiner lebt noch und ist da für dich, das ist doch super. Und dann sammelte mich meine Schwester auf und grinste so komisch, und in der Werkstatt erzählte mir der Typ schließlich, dass sich der Schaden auf den zweiten Blick als viel harmloser herausgestellt hat. Nicht mal halb so schlimm, sondern sechstel oder sogar achtel so schlimm. Zufall?

Und jetzt setze ich mich gleich in die alte Karre und fahre zum Fußball, in dem Wissen, dass ich mich im Notfall auf meine Freundin und meine Familie verlassen kann – und es am Ende immer noch einen Schutzengel gibt, der den Pechvogel im Zweifel überholt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert