The Wanderer

Dieses Wochenende Kindheitserinnerungen total. Zuerst schickte mir meine jüngste Schwester ein Foto, auf dem sie das alte Laufhemd meines Vaters trägt. Es war ursprünglich ein T-Shirt von Nike, darauf das Logo vom Santa Monica Track-Club, dem Leichtathletikverein von Carl Lewis, in den 80ern der heiße Scheiß für die – an sich ja eher etwas uncoolen – Lauffreunde. Mein Vater hatte es damals extra zum Schneider gebracht, weil er das Shirt wie Carl als Trägerhemd haben wollte, und sich danach ein bisschen aufgeregt, dass der Schneider den Nike-Schriftzug abgeschnitten hatte. Weiß ich noch wie heute. Obwohl es über 30 Jahre her ist.

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Gestern trafen wir dann am Pferdestall auf eine zivile „Straßenkontrolle“. Meine Freundin und ich wussten erst gar nicht, was los ist. Sicherte die AfD jetzt schon die Grenze nach Schleswig-Holstein? Nein, es war der Kontrollpunkt für eine Wanderung vom IVV, dem Internationalen Volkssportverband, eine in Norddeutschland sehr beliebte Geschichte, die ich früher ganz oft mit meinem Opa gemacht habe. Mit Urkunde und Stempelheft, und wenn man das voll hatte, bekam man ein Aufnäher, den man als Kind auch stolz trug, weil da 500km draufstand oder 1000km, und an Start und Ziel gab es Zitronentee und Erbsensuppe vom Roten Kreuz, das war eine schöne Zeit – und, ja, Wandern wird total unterschätzt.

Und da wurde mir wirklich kurz warm ums Herz, weil mein Sohn dieses Wochenende mit seinem Opa eine Bootstour gemacht hat, an die er sich sicher später erinnern wird, so wie ich mich in diesem Moment an die Wanderungen mit meinem Opa erinnert habe, an die Tage, als ich klein war und alles andere einfach. Wandern. Abendbrot. Sandmännchen. Eis. Ab ins Bett. Vorfreude auf den nächsten einfachen Tag.

Wäre eben fast richtig gut gewesen. Hätte nämlich um ein Haar ein Foto zur Hand gehabt, auf dem mein Vater und ich bei einer Laufveranstaltung zu sehen sind, wo er selbst eben dieses Nike-Hemd trägt. Dachte, er hätte es mir mit einer Widmung in das Reader´s Digest Jugendbuch geklebt, das er mir damals, 1984, zu Weihnachten geschenkt hat. Leider habe ich mich geirrt.

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Die Widmung ist zwar da, aber darin steht, das Foto habe er in das „sportliche Buch“ geklebt, das meine Mutter besorgt hat (und das liegt noch in irgendwelchen Kisten). Damals war ich gerade 11 Jahre alt geworden, und in der Widmung schrieb mein Vater, er hoffe, ich würde mich später mal an diese ganzen Reisen zu den Laufveranstaltungen erinnern. Ja, das tue ich. Sehr gerne. Ich weiß aber auch noch, dass diese Widmung für mich damals auch ein wenig nach Abschied klang. Es war das erste Jahr, in dem ich die 10 Kilometer plötzlich schneller lief als er, und klar wurde, dass ich von nun an alleine laufen würde. Und zwar sprichwörtlich.

Heute ist mein jüngster Sohn schon ein Jahr älter, als ich es damals im Winter 84 war. Und auf den ersten Metern überholt er mich jetzt schon.

Die Zeit rast. Wir Chronisten im Dauereinsatz. Die letzten Tage vor Trump. Die ersten nach Prince. In denen man mit einem Mal „Nothing compares 2 u“ covern möchte und sich fragt, warum man den kleinen Supermusiker eigentlich nie live gesehen hat!? Dafür zwei Mal Westernhagen!? Mein älterer Sohn hält diese Woche in der Schule ein Referat über ihn (Prince, nicht Westernhagen). Bin darüber aber auch wieder auf Jimi Hendrix gestoßen – und auf eine sehr stimmungsvolle „Little Wing-Session“.

Bei youtube findet sich direkt darunter auch eine (zugegeben: besser, als gedachte) Coverversion einer jungen Sängerin. Die ist 60 Mal öfter geklickt.

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